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13.1.5 Koordinatenbestimmung auf Photoplatten

Häufig ergibt sich die Aufgabe, auf einer Photoplatte den Ort eines Sterns relativ zu anderen Sternen mit bekannten Koordinaten zu bestimmen. Dabei besteht die Schwierigkeit, daß durch die photographische Aufnahme ein Ausschnitt der Himmelskugel mittels der gnomonischen Projektion in die Ebene der Photoplatte abgebildet wird [4]. Das Projektionszentrum $O$ bildet dabei das Objektiv, in dessen Mitte auf der optischen Achse auch der Ursprung des Koordinatensystems ($u,v,w$) liegt. Die Beziehungen zwischen den sphärischen Koordinaten $\alpha$ und $\delta$ und den (idealen) ebenen Koordinaten $X$ und $Y$ (Tangential- oder Standardkoordinaten) eines Sterns in der Abbildungsebene sind in Abb. 3 dargestellt. Darin zeigen die Vektoren ${\bf s}$ bzw. ${\bf s'}$ auf den Sternort ( $\alpha ; \delta$) an der Himmelskugel bzw. seinen Bildpunkt auf der Photoplatte, sowie ${\bf z}$ und ${\bf F}$ auf das Zentrum des abgebildeten Himmelsausschnittes mit den Koordinaten ( $\alpha_{\rm z} ; \delta_{\rm z} $) und seinen Bildpunkt. Die Vektoren ${\bf F}$ und ${\bf z}$ markieren die optische Achse des Aufnahmeinstrumentes, wobei der Betrag des Vektors ${\bf F}$ die Brennweite des Instrumentes ist.


In dem Koordinatensystem ($u,v,w$) ergibt sich der Einheitsvektor ${\bf s}$, der in die Richtung eines Himmelsobjekts mit der Rektaszension $\alpha$ und der Deklination $\delta$ zeigt, zu:
\begin{displaymath}
{\bf s} = \left( \begin{array}{c}
s_{\rm u} \\ s_{\rm v} \...
...ha - \alpha_{\rm z}) \\
\sin \delta \end{array} \right)\, .
\end{displaymath} (33)

Analog gilt für den Einheitsvektor z, der in Richtung ( $\alpha_{\rm z},
\delta_{\rm z}$), dem Ort am Himmel, auf den die optische Achse des Fernrohrs ausgerichtet ist, zeigt:
\begin{displaymath}
{\bf z} = \left( \begin{array}{c}
\cos \delta_{\rm z} \\ 0 \\ \sin \delta_{\rm z} \end{array} \right) \, .
\end{displaymath} (34)

In der Ebene der Photoplatte spannen die Einheitsvektoren ${\bf e}_{\rm x}$ und ${\bf e}_{\rm y}$
\begin{displaymath}
{\bf e}_{\rm x} = \left( \begin{array}{c}
0 \\ 1 \\ 0 \end...
...rm z} \\ 0 \\ - \cos \delta _{\rm z} \end{array} \right) \, ,
\end{displaymath} (35)

das Koordinatensystem der Standardkoordinaten $(X_{\rm i}, Y_{\rm i})$, der Bildpunkte der Himmelsobjekte $(\alpha_{\rm i}, \delta_{\rm i})$, auf. Die Transformationsgleichungen zwischen den sphärischen Koordinaten $(\alpha, \delta)$, siehe Abb. 3, und den Standardkoordinaten $(X, Y)$ in der Ebene der Photoplatte erhält man durch komponentenweises Aufschreiben der Bestimmungsgleichung für den Vektor ${\bf s'}$:

\begin{displaymath}
{\bf s'} = {\bf F} + F(X{\bf e}_{\rm x} + Y{\bf e}_{\rm y})
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
\left( \begin{array}{c}
s' \cos \delta \cos \, (\alpha - \...
..._{\rm z} & & +Y \cos \delta _{\rm z} \end{array} \right) \, .
\end{displaymath} (36)

Das Auflösen dieses Gleichungssystems nach den sphärischen Koordinaten führt auf:
$\displaystyle \alpha$ $\textstyle =$ $\displaystyle \alpha _{\rm z} + \arctan \left( \frac{-X}{\cos \delta _{\rm z} -
Y \sin \delta _{\rm z}} \right) \, ,$  
$\displaystyle \delta$ $\textstyle =$ $\displaystyle \arcsin \left( \frac{\sin \delta _{\rm z} + Y \cos \delta _{\rm z}}
{\sqrt{1 + X^2 + Y^2}} \right) \, .$ (37)

Die Umkehrtransformation zur Berechnung der Standardkoordinaten $(X, Y)$ aus den Himmelskoordinaten ergibt sich zu:
$\displaystyle X$ $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{\cos \delta \sin (\alpha - \sin \alpha _{\rm z})}
{\cos \...
...\delta \cos (\alpha - \alpha _{\rm z})
+ \sin \delta _{\rm z} \sin \delta} \, ,$  
$\displaystyle Y$ $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{\sin \delta _{\rm z} \cos \delta \cos
(\alpha - \alpha _{...
...\delta \cos
(\alpha - \alpha _{\rm z}) + \sin \delta _{\rm z} \sin \delta} \, .$ (38)

Die Koordinaten unbekannter Objekte lassen sich mittels Photoplatte dann bestimmen, wenn eine genügende Anzahl von Referenzsternen mit bekannten Koordinaten gleichzeitig mit abgebildet ist (SAO Sterne). Die gemessenen realen rechtwinkligen Plattenkoordinaten der Referenzsterne ($x, y$) weichen jedoch im allgemeinen von den Standardkoordinaten ($X, Y$) ab. Ursachen können u.a. sein: unterschiedliche Nullpunkte beider Systeme, unterschiedliche Orientierung der Achsen, keine ideale Rechtwinkligkeit zwischen x- und y-Achse. Maßstabsfehler und eine Plattenneigung gegen die optische Achse bei der Aufnahme. Zur Elimination der genannten Einflüsse macht man einen Potenzreihenansatz und bricht diesen nach dem linearen Glied ab. Das Ergebnis ist ein lineares Gleichungssystem, das über die sechs Plattenkonstanten A, B, C, D, E, F die Beziehung zwischen gemessenen Koordinaten und Standardkoordinaten herstellt:
$\displaystyle Ax + By + C$ $\textstyle =$ $\displaystyle X$  
$\displaystyle Dx + Ey + F$ $\textstyle =$ $\displaystyle Y \, .$ (39)

Zur Bestimmung der sechs Plattenkonstanten A, B, C, D, E, F benötigt man (mindestens) drei Referenzsterne mit bekannten Koordinaten ( $\alpha_{\rm i},
\delta_{\rm i}$), i = 1, 2, 3, deren rechtwinklige Koordinaten ( $x_{\rm i},
y_{\rm i}$) zusammen mit denen des zu vermessenden Gestirns, ($x, y$) auf der Platte ermittelt werden. Daraus ergeben sich zwei Gleichungssysteme mit jeweils drei Gleichungen für die sechs Unbekannten A, B, C, D, E, F:
$\displaystyle Ax_{\rm i} + By_{\rm i} + C$ $\textstyle =$ $\displaystyle X_{\rm i}$  
$\displaystyle Dx_{\rm i} + Ey_{\rm i} + F$ $\textstyle =$ $\displaystyle Y_{\rm i} \, .$ (40)

Die Standardkoordinaten (X, Y) des Kleinen Planeten erhält man anschließend durch das Einsetzen der Meßwerte ($x, y$) in die Gleichungen (39), nachdem die Plattenkonstanten bekannt sind. Die Himmelskoordinaten ( $\alpha, \delta$) ergeben sich durch Einsetzen in die Transformationsgleichung (37). Da die Messung der Sternkoordinaten aber nie völlig fehlerfrei sein wird, ist es besser, möglichst viele Referenzsterne (mindestens 6) zu vermessen und das Gleichungssystem mittels Ausgleichsrechnung zu lösen. Auf diese Weise erhält man auch eine Abschätzung für den Meßfehler und kann falsch identifizierte Sterne durch Weglassen jeweils eines Referenzsternes herausfinden.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29