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14.1 Einführung

Die frühesten Versuche einer rechnerischen Darstellung der Planetenbewegung trugen rein empirischen Charakter und gipfelten in den von KEPLER aus den Beobachtungsdaten TYCHO BRAHEs abgeleiteten drei Gesetzen der Planetenbewegung. Auf dieser Grundlage wurde es schon vor der Entdeckung des Gravitationsgesetzes durch NEWTON möglich, auf der Basis dynamischer Prinzipien allgemeine Theorien der Planetenbewegung zu entwickeln. LEVERRIERs Theorie der Bewegung der inneren Planeten für die Epoche 1850 verkörperte die erste systematische Anwendung dynamischer Prinzipien in der Himmelsmechanik. Da LEVERRIER nur die NEWTONsche Mechanik zugrunde legen konnte, war die säkulare Perihelbewegung mit seiner Theorie nicht vollständig erklärbar. Er sah sich durch diesen Umstand veranlaßt, seine Formeln durch nichtdynamische Terme zu ergänzen, um Theorie und Beobachtung in Übereinstimmung zu bringen. Um die Jahrhundertwende schuf SIMON NEWCOMB, ebenfalls auf der Grundlage der NEWTONschen Mechanik, eine verbesserte Theorie der Bewegung der Planeten. Zur Erklärung der relativistischen Periheldrehung nahm er an, daß die Gravitationskraft $F$ zwischen zwei Massen $M_1$ und $M_2$ nicht exakt mit dem Reziproken des Quadrats der Entfernung $r$ abnimmt, sondern um einen Betrag $\delta$ davon abweicht. Es sollte gelten
\begin{displaymath}
{F} = G \cdot \frac{M_1 \cdot M_2}{r^{2+\delta}} \, .
\end{displaymath} (1)

Damit war nach seiner Theorie ein gewisser Teil der Periheldrehung eine Folge der nicht exakten Gültigkeit des Gravitationsgesetzes, während sich der Rest durch die Störungstheorie erklären ließ. NEWCOMB benutze den Wert $\delta = 0,0000001612$. Der Betrag der permanenten Periheldrehung ergab sich nach seiner Theorie durch einfache Multiplikation der mittleren täglichen Bewegung, $n$, (siehe Aufgabe Nr. 13) eines Planeten mit $\delta /2$. Diese einfache Rechnung führt für den Planeten Merkur auf eine Periheldrehung von $\approx 43''$ pro Jahr, den Wert, der später zwanglos aus der allgemeinen Relativitätstheorie abgeleitet werden konnte [1]. NEWCOMB hat damit als erster eine vom NEWTONschen Gravitationsgesetz abweichende Zentralkraft zur Erklärung beobachteter Phänomene der Planetenbewegung benutzt. Das allgemeine KEPLERproblem beinhaltet nun die Frage, wie die Bewegung zweier Massenpunkte unter dem Einfluß beliebiger Zentralkräfte abläuft, das heißt, in all den Fällen, in denen sich eine Potentialfunktion angeben läßt. Zwar ist dieses Problem überwiegend von rein mathematischem Interesse, jedoch sind mindestens zwei Sonderfälle für die Himmelsmechanik auch von praktischer Bedeutung. Der erste Fall betrifft die Bewegung von Sternen in Kugelsternhaufen oder im Zentralgebiet einer Galaxie, also in Gebieten mit hoher Stern- und damit auch relativ hoher Massendichte. Der zweite Fall betrifft die Bewegung sonnennaher Planeten (Merkur) oder enger Doppelsternsysteme, bei denen man bereits die Effekte der allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigen muß [2].
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Juergen Weiprecht 2002-10-29