Wir nehmen jetzt an, daß die Atmosphäre aus unendlich vielen
Kugelschalen von infinitesimaler Dicke besteht, deren Zentrum der
Erdmittelpunkt M ist (siehe Abb. 2).
Abb. 2: Kugelschalenmodell der Atmosphäre.
Der Betrag der differentiellen Refraktion d, um den ein Strahl beim
Übergang von der Schicht mit dem Brechungsindex in diejenige mit
dem Brechungsindex +d gebrochen wird (Einfallswinkel ,
Brechungswinkel , siehe Abb. 2),
kann auf Grundlage des Brechungsgesetzes bestimmt werden:
(11)
In analoger Weise zu Gleichung (1) läßt sich Gleichung
(11) vereinfachen und man erhält:
(12)
Die gesamte dem Lichtstrahl in der Atmosphäre erteilte Refraktion erhält
man durch Integration von (12):
(13)
Zur praktischen Anwendung von (13) gilt es zunächst den Term
zu ersetzen.
Dazu werden Beziehungen genutzt, die für das Dreieck MEE
(siehe Abb. 2) gültig sind.
Da der Winkel MEE =
ist und
gilt, kann nach dem Sinussatz
formuliert werden:
(14)
Aus den Beziehungen (11) und (14) ergibt sich die für zwei
beliebige Atmosphärenschichten geltende Beziehung
Folglich kann für einen Beobachtungsort an der Erdoberfläche mit der
Entfernung zum Erdmittelpunkt, dem lokalen Brechungsindex und
der beobachteten scheinbaren Zenitdistanz
formuliert werden:
Unter Anwendung der Beziehung
kann nun (13) umgeformt werden:
(15)
Drückt man in (15) die Brechungsindizes und durch die
entsprechenden Luftdichten und aus und führt die
relative Dichte
ein, so erhält man das sogenannte
Refraktionsintegral in den Grenzen bis .
Um mit Hilfe dieses Integrals die Refraktion zu berechnen, muß man eine
Annahme über die Änderung von mit der Höhe der atmosphärischen
Schicht () machen. Neben Ausdrücken, die eine einfache
Abhängigkeit in Form einer linear () oder
exponentiell (
) verlaufenden Dichteabnahme enthalten, existieren
kompliziertere Zusammenhänge .
In der Praxis kann das Refraktionsintegral analytisch durch eine
Reihe, deren Glieder durch ungerade Potenzen von gebildet werden,
angenähert werden. Diese Reihenentwicklung bietet den Vorteil, daß
sie unabhängig von dem zugrunde gelegten Dichteverlauf so schnell
konvergiert, daß zur Berechnung der Refraktion bis
(
)
die ersten beiden Glieder ausreichen:
(16)
Die Koeffizienten und werden allein durch die
atmosphärischen Bedingungen am Beobachtungsort bestimmt.
Für die als mittlere
Refraktion bezeichnete Refraktion bei K und
kPa (Beobachter bei
Normal Null und
,
) ist
(was in etwa dem in
Winkelsekunden ausgedrückten Wert von
entspricht,
man vergleiche mit (2))
und
(was als Korrektur für Zenitdistanzen größer
als wirkt). Die Berücksichtigung der Abweichungen der bei der
Beobachtung vorliegenden Werte und von den atmosphärischen
Normbedingungen führt zu einer Verbesserung der mittleren Refraktion
(siehe Refraktionstafel z.B. in [1]):
(17)
Bei Zenitdistanzen größer als sollten auch Reihenglieder
höherer Ordnung mitgenommen werden.
Neben der komplizierten analytischen Lösung des Refraktionsintegrals
bietet sich in Anbetracht der verfügbaren modernen Rechentechnik
eine numerische Lösung an. Diese numerische Integration erfolgt im
Rahmen eines Strahlverfolgungsverfahrens (englisch: ray tracing), bei dem
ein Strahl durch das Kugelschalenmodell geschickt wird und nach jedem
Schritt entsprechend dem sich um
verändernden Brechungsindex ein
berechnet. Im einfachsten Falle der numerischen Integration
des von der Höhe (Strecke) in der Atmosphäre abhängigen Verlaufes
ergibt sich mittels der
summierten Rechteckregel:
wobei
ist.
Ein großer Vorteil der numerischen Lösung liegt darin, daß der
zugrunde zu legende Dichteverlauf der Atmosphäre im Prinzip beliebig
sein kann, also z.B. auch in Tabellenform gegeben werden könnte.
In dem für den vorliegenden Versuch bereitgestellten Ray-Tracing-Programm
REFRAKT [11]
wird der Dichteverlauf mit zunehmender Höhe aus dem
exponentiellen
Druckabfall f"ur die Temperatur am Beobachtungsort und aus einer
Temperaturabnahme, die gleich dem 0,5fachen des adiabatischen Temperaturgradienten
(das ist die Temperatur"anderung, die sich f"ur trockene Luft
allein aus der Druck"anderung erg"abe) ist, bestimmt (13,6 K/km).