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7.1.2 Michelson-Sterninterferometer

Bereits 1890 schlug A.A. MICHELSON (1852-1931), einer schon zuvor von FIZEAU geäußerten Idee folgend, eine interferometrische Methode zur Bestimmung kleiner Winkelgrößen astronomischer Objekte vor (Philosophical Magazine 1890-1892, [10], [11], [12]). Im Jahre 1920 bestimmte MICHELSON mit dem nach ihm benannten Sterninterferometer die Durchmesser einiger näher gelegener Riesensterne (Arktur - $\alpha$Boo, Beteigeuze - $\alpha$Ori).


Das MICHELSON-Sterninterferometer ist ein Zweistrahlinterferometer. Bei der einfachen Variante werden die zwei Wellenfelder mit Hilfe einer vor der Apertur angebrachten Blende mit zwei parallelen verschiebaren Spalten aus dem einfallenden Wellenfeld abgeleitet (siehe Abb. 1 links). Die verbesserte Variante, die von MICHELSON zur Bestimmung von Sterndurchmessern verwendet wurde und die in der Regel als das eigentliche MICHELSON-Sterninterferometer gilt, besitzt anstatt der Spalte Spiegel, die ebenfalls zueinander verschiebar sind (siehe Abb. 1 rechts). Damit wird eine "`Vergrößerung"' der Apertur über die Teleskopapertur hinaus möglich. Praktisch ist die letztgenannte Variante jedoch nur sehr kompliziert handhabbar und deshalb nicht in Gebrauch. Das Bild eines Sterns im Teleskop ist entsprechend der Beugungstheorie eine kleine runde Scheibe, umgeben von den Beugungsringen höherer Ordnung. Für die Beugung an einer Kreisblende ergibt sich ein Abstand $x$ des 1. Minimums vom im Zentrum liegenden Hauptmaximum von $x = 1,22 \cdot f \frac{\lambda}{D}$, wobei $D$ der Durchmesser der freien Teleskopöffnung, $f$ die Brennweite und $\lambda$ die Wellenlänge der gebeugten Strahlung darstellen (siehe Abb. 2 oben). Setzt man vor die Teleskopöffnung einen Einfachspalt der Breite $b$, so erhält man ein breiteres und viel schwächeres Beugungsmuster (diesmal Streifen), wobei sich der Abstand des 1. Minimums diesmal aus $f \frac{\lambda}{b}$ ergibt (siehe Abb. 2 Mitte, $x$-Achse erstreckt sich senkrecht zum Spalt).


Beim MICHELSON-Sterninterferometer, wie es in der vorliegenden Aufgabe verwendet wird, hat man es mit Interferenzen nach der Beugung am Doppelspalt zu tun. Das Beugungsbild entsteht durch Interferenz der an den Einzelspalten gebeugten Wellenfelder. Dabei entstehen Minima und Maxima II. Klasse (deren Abstand vom Spaltabstand $d$ abhängt), deren Amplituden durch Minima und Maxima I. Klasse (deren Abstand durch die Spaltbreite $b$ bestimmt wird) moduliert sind (siehe Abb. 2 unten). Für die beim Abstand $x$ vom Zentrum des Beugungsbildes für $y = 0$ (die durch die Spaltlänge beeinflußte Beugung in $y$-Richtung braucht nicht berücksichtigt zu werden) vorliegende Beugungsintensität $I(x)$ gilt entsprechend:

\begin{displaymath}
I(x) \ \ = \ \ I_0 \cdot \frac{\sin^2
\left( \frac{b}{\lam...
...
4 \cos^2 \left(\frac{d}{\lambda} \pi \frac{x}{f} \right).
\end{displaymath} (1)

Die Nullstellen des Zählers des ersten Faktors in (1), die bei den Abständen $x_k = k \cdot f \frac{\lambda}{b}, \ (k = 1,2, \dots )$ liegen, bestimmen die Lage der Minima I. Klasse. Die für den Interferometrieversuch interessanteren Minima II. Klasse, die auf den zweiten Faktor in (1) zurückgehen, befinden sich bei $x_k = k \cdot f \frac{\lambda}{2d}, \ (k = 1,3,5 \dots )$. Im zentralen Maximum I. Klasse mit der Breite $2 f \frac{\lambda}{b}$ und dem Abstand $f \frac{\lambda}{d}$ zwischen den Minima II. Klasse (siehe Abb. 2) liegen also $2 f \frac{\lambda}{b} / f \frac{\lambda}{d} = \frac{2d}{b}$ Minima II. Klasse. Verwendet man anstatt eines Doppelspaltes eine Doppellochblende, so sind im zentralen Maximum I. Klasse $1,2 \cdot \frac{2d}{b}$ Minima II. Klasse zu finden. Die Qualität der Streifen, die durch ein interferometrisches System erzeugt werden, läßt sich quantitativ mittels der von MICHELSON eingeführten Größe $V$ (visibility - deutsch: Kontrast) beschreiben:

\begin{displaymath}
V = \frac{I_{\rm max} - I_{\rm min}}{I_{\rm max} + I_{\rm min}}.
\end{displaymath} (2)

$I_{\rm max}$ und $I_{\rm min}$ beziehen sich dabei auf das Maximum und das angrenzende Minimum im Interferenzstreifensystem. Der Wertebereich von $V$ reicht von $V=0$ (keine Streifen sichtbar) bis $V=1$ ($I_{\rm min}=0$). Der letzte Fall kann nur eintreten, wenn das auf den Doppelspalt treffende Strahlungsfeld völlig kohärent ist, was im allgemeinen nicht der Fall ist. Der Wert von $V$ gibt also gleichzeitig eine Information über den Grad der Kohärenz des einfallenden Lichtes. Das Licht der Sterne ist wegen ihrer Winkelausdehnung nur teilweise kohärent, wobei der Wert von $V$ nach (1) bei vorgegebenen Werten von $b$ und $\lambda$ durch Variation des Spaltabstandes $d$ verändert werden kann. In Abschnitt 7.1.3.2 sind einige Verläufe $V(d)$ dargestellt, wie sie für verschiedene Intensitätsverteilungen im Sternscheibchen zu erwarten wären. Abb. 3 gibt einen Vorstellung davon, wie ein Stern als ausgedehntes Objekt bei Beobachtung durch ein MICHELSON-Sterninterferometer bei verschiedenem Kontrast beobachtbar sein könnte (im hier gezeigten Interferenzstreifenmuster werden im Gegensatz zu dem in Abb. 2 gezeigten und im Versuch beobachtbaren Muster die Maxima II. Klasse durch eine axialsymmetrische Funktion eingehüllt, die bei Verwendung kreisförmiger Blendenöffnungen entsteht).


In den folgenden Abschnitten werden Kontrastfunktionen $V(d)$ für spezielle astronomische Objekte auf theoretischem Wege hergeleitet. Mit diesem Wissen kann aus beobachteten Verläufen von $V(d)$ auf die Art und spezielle Parameter der entsprechenden Objekte geschlossen werden.

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Juergen Weiprecht 2002-10-29