Betrachtet man den Sternhimmel durch ein Teleskop, erscheinen oft zwei Sterne
eng benachbart an der Sphäre, obwohl sie sich räumlich in sehr
unterschiedlichen Entfernungen befinden. Solche nur scheinbar benachbarten
Sternpaare werden optische Doppelsterne genannt.
Ein physischer Doppelstern ist dagegen ein Sternpaar, dessen
räumlich dicht benachbarte Komponenten sich infolge der gegenseitigen
Massenanziehung um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Weniger als die
Hälfte aller Sterne sind Einzelsterne wie unsere Sonne. Mehr als 50% bilden
dagegen physische Systeme mit zwei oder mehreren Komponenten.
Mehrfachsysteme haben generell eine hierarchische Struktur. In
Dreifachsystemen umkreist z.B. ein Doppelsternsystem einen Einzelstern
oder in einem Vierfachsystem bewegen sich zwei Doppelsterne paarweise
umeinander. Das bekannteste Mehrfachsystem ist Geminorum.
Jeweils 2 spektroskopische Doppelsterne bilden ein visuelles Paar, das
von einem photometrischen Doppelstern umkreist wird.
Die verschiedenen Arten von Doppelsternen werden jeweils nach den
Beobachtungsmethoden, die zu ihrer Entdeckung geführt haben, klassifiziert.
Visuelle Doppelsterne: Beide Komponenten sind optisch sichtbar.
Durch Mikrometermessungen können die Distanz in Bogensekunden
und der Positionswinkel
in Grad als Funktionen der Zeit
bestimmt werden. Der Nullpunkt des Koordinatensystems wird dabei in
die hellere Kompopnente gelegt. Die Grenze, bis zu der sich die
Komponenten noch in Einzelsterne trennen lassen, hängt vom
Auflösungsvermögen des Teleskops und der Turbulenz der Atmosphäre
ab. Unter besten Bedingungen beträgt sie 0,1 Bogensekunden.
Astrometrische Doppelsterne: Nur eine Komponente ist optisch
sichtbar, während der Begleiter nur durch seine gravitative
Wechselwirkung mit dem sichtbaren Stern nachgewiesen werden kann.
Man beobachtet also periodische Störungen in der Bahnbewegung
visueller Doppelsterne oder in der Eigenbewegung von Einzelsternen.
Interferometrische Doppelsterne: Eine Trennung der optisch
nicht auflösbaren Komponenten mit interferometrischen Methoden ist
möglich. Hierzu zählen auch die durch
Fouriertransformation von
Speckle-Aufnahmen identifizierten Doppelsterne. In beiden Fällen
können Positionswinkel und Distanz bestimmt werden.
Spektroskopische Doppelsterne: Der Nachweis der optisch nicht
trennbaren Komponenten erfolgt mit spektroskopischen Mitteln.
Die Komponenten der Bahngeschwindigkeit beider Sterne in der
Sichtlinie lassen sich durch die Dopplerverschiebung
der Spektrallinien bestimmen.
Photometrische Doppelsterne: Der Nachweis erfolgt auf Grund eines
charakteristischen Lichtwechsels dieser Sterne. Er entsteht infolge der
gegenseitigen Bedeckung der Komponenten (Bedeckungsveränderliche). Es
handelt sich um eine Untergruppe der spektroskopischen Doppelsterne,
bei der die Bahnebene in etwa mit der Sichtlinie zusammenfällt.
Aus der Beobachtung dieser Sterne lassen sich fast alle
Zustandsgrößen ableiten (siehe Aufgabe Nr. 14).
Doppelsterne können auch auf der Basis ihres gegenseitigen Abstandes
klassifiziert werden. Der Abstand, der zwischen 10 und hunderten von
Astronomischen Einheiten betragen kann, ist über das 3. KEPLERsche
Gesetz mit der Umlaufzeit verknüpft. Tabelle 1 gibt eine Zusammenstellung
typischer Umlaufzeiten von Doppelsternen.
Tabelle 1: Charakteristische Umlaufzeiten verschiedener
Typen von Doppelsternen.
Doppelsterntyp
Minimum
Mittel
Maximum
visuell
1,7 a
76 a
10850 a
spektroskopisch
80 min
2-50 d
20 a
photometrisch
80 min
10 d
27 a
Gegenwärtig sind rund 80000 visuelle, 5000 spektroskopische und etwa
4500 photometrische Doppelsterne bekannt. Bahnbestimmungen existieren
für etwa 700 Systeme und zuverlässige Massenbestimmungen gibt es für
zirka 150 Sterne. Doppelsterne kommen in allen Spektraltypen vor, am
häufigsten jedoch bei A-, F- und G-Sternen.
Angaben über Doppelsterne findet man in den Katalogen von AITKEN
[1]
und JEFFERS, BOS und GREEBY [2]. Der Katalog von
AITKEN enthält
17180 Systeme (ADS Nr.) und enthält praktisch alle Beobachtungen bis 1927.
Der Katalog von JEFFERS und Mitarbeitern enthält alle visuellen
Doppelsterne, für die bis 1960 Messungen vorlagen (IDS Nr.). Das sind 64246
Systeme. Bezeichnet werden Doppelsterne mit dem Namen des Entdeckers
und einer entsprechenden Katalognummer, soweit sie nicht schon eine
Bezeichnung, wie sie für helle Sterne üblich ist, besitzen.
Im folgenden wird nur noch kurz auf astrometrische und spektroskopische
Doppelsterne eingegangen und dann die Beobachtung visueller Doppelsterne
ausführlicher behandelt. Den interferometrischen und photometrischen
Doppelsternen sind eigene Kapitel im Rahmen dieses Kompendiums gewidmet.
Abb. 1: Bahnbewegung eines spektroskopischen Doppelsterns und ihre Auswirkung im Spektrum.
Abb. 1:
Bahnbewegung eines spektroskopischen Doppelsterns und ihre Auswirkung
im Spektrum.