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10.1.1 Beobachtungsmethoden und Klassifikation von Doppelsternen

Betrachtet man den Sternhimmel durch ein Teleskop, erscheinen oft zwei Sterne eng benachbart an der Sphäre, obwohl sie sich räumlich in sehr unterschiedlichen Entfernungen befinden. Solche nur scheinbar benachbarten Sternpaare werden optische Doppelsterne genannt. Ein physischer Doppelstern ist dagegen ein Sternpaar, dessen räumlich dicht benachbarte Komponenten sich infolge der gegenseitigen Massenanziehung um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Weniger als die Hälfte aller Sterne sind Einzelsterne wie unsere Sonne. Mehr als 50% bilden dagegen physische Systeme mit zwei oder mehreren Komponenten. Mehrfachsysteme haben generell eine hierarchische Struktur. In Dreifachsystemen umkreist z.B. ein Doppelsternsystem einen Einzelstern oder in einem Vierfachsystem bewegen sich zwei Doppelsterne paarweise umeinander. Das bekannteste Mehrfachsystem ist $\alpha$ Geminorum. Jeweils 2 spektroskopische Doppelsterne bilden ein visuelles Paar, das von einem photometrischen Doppelstern umkreist wird. Die verschiedenen Arten von Doppelsternen werden jeweils nach den Beobachtungsmethoden, die zu ihrer Entdeckung geführt haben, klassifiziert.
  1. Visuelle Doppelsterne: Beide Komponenten sind optisch sichtbar. Durch Mikrometermessungen können die Distanz $\rho \; [t]$ in Bogensekunden und der Positionswinkel $\vartheta \; [t]$ in Grad als Funktionen der Zeit bestimmt werden. Der Nullpunkt des Koordinatensystems wird dabei in die hellere Kompopnente gelegt. Die Grenze, bis zu der sich die Komponenten noch in Einzelsterne trennen lassen, hängt vom Auflösungsvermögen des Teleskops und der Turbulenz der Atmosphäre ab. Unter besten Bedingungen beträgt sie 0,1 Bogensekunden.
  2. Astrometrische Doppelsterne: Nur eine Komponente ist optisch sichtbar, während der Begleiter nur durch seine gravitative Wechselwirkung mit dem sichtbaren Stern nachgewiesen werden kann. Man beobachtet also periodische Störungen in der Bahnbewegung visueller Doppelsterne oder in der Eigenbewegung von Einzelsternen.
  3. Interferometrische Doppelsterne: Eine Trennung der optisch nicht auflösbaren Komponenten mit interferometrischen Methoden ist möglich. Hierzu zählen auch die durch
    Fouriertransformation von Speckle-Aufnahmen identifizierten Doppelsterne. In beiden Fällen können Positionswinkel und Distanz bestimmt werden.
  4. Spektroskopische Doppelsterne: Der Nachweis der optisch nicht trennbaren Komponenten erfolgt mit spektroskopischen Mitteln. Die Komponenten der Bahngeschwindigkeit beider Sterne in der Sichtlinie lassen sich durch die Dopplerverschiebung der Spektrallinien bestimmen.
  5. Photometrische Doppelsterne: Der Nachweis erfolgt auf Grund eines charakteristischen Lichtwechsels dieser Sterne. Er entsteht infolge der gegenseitigen Bedeckung der Komponenten (Bedeckungsveränderliche). Es handelt sich um eine Untergruppe der spektroskopischen Doppelsterne, bei der die Bahnebene in etwa mit der Sichtlinie zusammenfällt. Aus der Beobachtung dieser Sterne lassen sich fast alle Zustandsgrößen ableiten (siehe Aufgabe Nr. 14).
Doppelsterne können auch auf der Basis ihres gegenseitigen Abstandes klassifiziert werden. Der Abstand, der zwischen 10 und hunderten von Astronomischen Einheiten betragen kann, ist über das 3. KEPLERsche Gesetz mit der Umlaufzeit verknüpft. Tabelle 1 gibt eine Zusammenstellung typischer Umlaufzeiten von Doppelsternen.
Tabelle 1: Charakteristische Umlaufzeiten verschiedener Typen von Doppelsternen.


Doppelsterntyp

Minimum Mittel Maximum
visuell 1,7 a 76 a 10850 a
spektroskopisch 80 min 2-50 d 20 a
photometrisch 80 min 10 d 27 a

Gegenwärtig sind rund 80000 visuelle, 5000 spektroskopische und etwa 4500 photometrische Doppelsterne bekannt. Bahnbestimmungen existieren für etwa 700 Systeme und zuverlässige Massenbestimmungen gibt es für zirka 150 Sterne. Doppelsterne kommen in allen Spektraltypen vor, am häufigsten jedoch bei A-, F- und G-Sternen. Angaben über Doppelsterne findet man in den Katalogen von AITKEN [1] und JEFFERS, BOS und GREEBY [2]. Der Katalog von AITKEN enthält 17180 Systeme (ADS Nr.) und enthält praktisch alle Beobachtungen bis 1927. Der Katalog von JEFFERS und Mitarbeitern enthält alle visuellen Doppelsterne, für die bis 1960 Messungen vorlagen (IDS Nr.). Das sind 64246 Systeme. Bezeichnet werden Doppelsterne mit dem Namen des Entdeckers und einer entsprechenden Katalognummer, soweit sie nicht schon eine Bezeichnung, wie sie für helle Sterne üblich ist, besitzen. Im folgenden wird nur noch kurz auf astrometrische und spektroskopische Doppelsterne eingegangen und dann die Beobachtung visueller Doppelsterne ausführlicher behandelt. Den interferometrischen und photometrischen Doppelsternen sind eigene Kapitel im Rahmen dieses Kompendiums gewidmet.


Abb. 1: Bahnbewegung eines spektroskopischen Doppelsterns und ihre Auswirkung im Spektrum.


Abb. 1: Bahnbewegung eines spektroskopischen Doppelsterns und ihre Auswirkung im Spektrum.


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Juergen Weiprecht 2002-10-29