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16.2.1 Polarisation und Stokes-Parameter

Die Verteilung der Schwingungsrichtungen transversaler Wellen wird durch deren sogenannte Polarisation charakterisiert. Diese kennzeichnet bei elektromagnetischen Wellen mit der Ausbreitungsrichtung $p$ die (zeitabhängige) Lage des elektrischen Feldstärkevektors $E$ in der zu $p$ senkrecht stehenden $r,l$-Ebene (siehe Abb.1).


Abb. 1: Elliptisch polarisierte Welle [6] S.30.

Jede sich in $p$-Richtung ausbreitende Welle mit der Kreisfrequenz $\omega$ und der Wellenzahl $k$ kann in der $r,l$-Ebene in die senkrecht zueinander stehenden Komponenten $E_{\rm r} (p,t)$ und $E_{\rm l} (p,t)$ zerlegt werden :

$\displaystyle E_{\rm r} (p,t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle e_{\rm r}\, E_{\rm0,r}\, \cos ( kp - \omega t),$ (1)
$\displaystyle E_{\rm l} (p,t)$ $\textstyle =$ $\displaystyle e_{\rm l}\, E_{\rm0,l}\, \cos ( kp - \omega t + \varepsilon ).$  

Dabei bezeichnen $e_{\rm r}$ und $e_{\rm l}$ die Einheitsvektoren in $r$- bzw. $l$-Richtung und $\varepsilon $ die Phasendifferenz zwischen den Komponenten. Die Spitze des Feldstärkevektors $E$ beschreibt im allgemeinen in einer räumlich festen $r,l$-Ebene eine Ellipse, wobei das Achsenverhältnis, die Neigung der Ellipse und der Umlaufsinn der Spitze von $E$ als sogenannte Parameter der Schwingungsellipse diese eindeutig beschreiben (siehe Abb.1). In Abhängigkeit vom Verhältnis der zwei Amplituden $E_{\rm0,r}$ und $E_{\rm0,l}$ und dem Wert der Phasendifferenz $\varepsilon $ können verschiedene elliptisch polarisierte Zustände erzeugt werden (siehe Abb.2). Linear und zirkular polarisierte Zustände bilden dabei Spezialfälle. Zirkular polarisierte Zustände können in der Abb. 2 nicht gezeigt werden, da in der Darstellung die Amplitude von $E_{\rm0,l}$ zur besseren Anschauung zwei mal so groß wie die von $E_{\rm0,r}$ gewählt wurde, bei zirkular polarisierten Zuständen hingegen ein Amplitudenverhältnis von 1:1 Vorraussetzung wäre.


Die Parameter der Schwingungsellipse eignen sich jedoch nur zur Beschreibung einzelner Wellenzüge. Die bei astronomischen Beobachtungen in der Meßzeit empfangene Strahlung besteht jedoch aus vielen einzelnen, unabhängig voneinander ausgesendeten Wellenzügen mit Emissionszeiten der Größenordnung $10^{-8}$ s. Sind dabei die Amplituden und Phasenverschiebungen der Komponenten von $E$ völlig gleichverteilt, so liegt unpolarisiertes Licht vor (z.B. natürliches Licht). Sind bestimmte Werte bevorzugt, entsteht teilweise polarisiertes Licht. Bei vollständig polarisiertem Licht ist das Verhältnis der Amplituden der Komponenten und deren Phasenverschiebung zueinander konstant, d.h., anschaulich bleiben Lage, Achsenverhältnis und Umlaufsinn der Schwingungsellipse erhalten. Die Eigenschaften von teilweise polarisiertem Licht werden vollständig durch die 4 Stokes-Parameter $I, Q, U$ und $V$ beschrieben, so daß diese für astronomische Polarisationsmessungen vorrangig verwendet werden. Diese Parameter wurden zu Ehren von G.C. STOKES benannt, der sie im Jahre 1852 eingeführt hat.
Für ihre Bestimmung ist die Messung der verschieden polarisierten Anteile $I_{\rm r}$, $I_{\rm l}$, $I_{+}$, $I_{-}$, $I_{\rm R}$ und $I_{\rm L}$ der Strahlung erforderlich (siehe Abb.3).


Abb. 3: Prinzipielle Meßanordnung zur Bestimmung der STOKES-Parameter [6] S.31.

Die STOKES-Parameter ergeben sich aus den gemessenen Intensitäten wie folgt:

$\displaystyle I$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{\rm l} + I_{\rm r} = I_{+} + I_{-},$ (2)
$\displaystyle Q$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{\rm l} - I_{\rm r},$  
$\displaystyle U$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{+} - I_{-},$  
$\displaystyle V$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{\rm R} - I_{\rm L}.$  

Neben der einfachen Meßbarkeit (nur Intensitäten) sprechen zwei weitere Vorteile für die Anwendung der STOKES-Parameter. Zum einen sind im Falle von inkohärentem Licht die einzelnen Parameter jeweils additiv verknüpfbar. Zum anderen läßt sich die Änderung des Polarisationszustandes bei Wechselwirkung des Lichts mit Materie mathematisch sehr einfach als Multiplikation des sogenannten STOKES-Vektors (Spaltenvektor mit den Elementen $I$, $Q$, $U$, $V$) mit einer Matrix beschreiben.
Für den Fall, daß das Licht vollständig polarisiert ist ( $I=I_{\mbox{p}}$), gilt:

$\displaystyle I^{2}$ $\textstyle =$ $\displaystyle Q^{2} + U^{2} + V^{2}.$ (3)

Für den interessanteren, weil meist in der Beobachtungspraxis vorkommenden Fall, daß die gemessene Strahlung nicht vollständig polarisiert ist ( $I=I_{\rm p}\, + \, I_{\rm unp}$), gilt dann:

$\displaystyle I^{2}$ $\textstyle >$ $\displaystyle Q^{2} + U^{2} + V^{2}.$ (4)

Für natürliches unpolarisiertes Licht ($I=I_{\rm unp}$) gilt:

$\displaystyle Q$ $\textstyle =$ $\displaystyle U\, =\, V\, =\, 0.$ (5)

Aus dem Verhältnis von $\sqrt{Q^{2} + U^{2} + V^{2}}$ zu $I$ läßt sich der Grad der Polarisation bestimmen, d.h. wie groß der Anteil der polarisierten Strahlungsintensität $I_{\rm p}$ an der Intensität der Gesamtstrahlung ist. Die linear polarisierten Anteile sind dabei von den zirkular polarisierten unabhängig. Der Grad der linearen Polarisation $P_{\rm L}$ und der zirkularen Polarisation $P_{\rm C}$ werden wie folgt bestimmt:

$\displaystyle P_{\rm L} = \frac{\sqrt{Q^{2} + U^{2}}}{I}, \qquad P_{\rm C} = \frac{\vert V\vert}{I} .$     (6)

Zur Bestimmung der Polarisationsrichtung wird die folgende Beziehung benutzt:

$\displaystyle \tan 2 \gamma$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{U}{Q} .$ (7)

Praktisch wird $\gamma $ am Himmel analog dem Positionswinkel, d.h., ausgehend von der Nordrichtung über Ost laufend gemessen.






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Juergen Weiprecht 2002-10-29