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18.2 Wahrscheinlichkeiten, Wahrscheinlichkeitsverteilungen

Die Wahrscheinlichkeit $w$ für das Auftreten eines bestimmten Ergebnisses ist nach P.S. LAPLACE (1749-1827) definiert als die Anzahl $g$ der für dieses Ereignis günstigen Fälle dividiert durch die Anzahl $m$ der möglichen Fälle:
\begin{displaymath}
w = \frac{g}{m}.
\end{displaymath} (1)

Ist das Ereignis unmöglich, so gilt $w$ = 0, ist es sicher, so ergibt sich $w$ = 1. Eine diskrete Zufallsgröße liegt vor, wenn im Intervall $a < x < b$ nur endlich viele (oder abzählbar unendlich viele) Ereignisse $x_{\rm i}$ möglich sind. Kann hingegen jeder beliebige Wert $x_{\rm i}$ aus dem genannten Intervall auftreten, so liegt eine kontinuierliche Zufallsgröße vor. Eine diskrete Zufallsgröße ist dann bekannt, wenn man sämtliche mögliche $x_{\rm i}$-Werte mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten $w(x_{\rm i})$ kennt. Da eine kontinuierliche Zufallsgröße $x$ innerhalb eines Intervalls jeden Wert annahmen kann, ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines ganz bestimmten Wertes $x_{\rm i}$ nach Definition (1) gleich Null; es gibt ja nicht abzählbare unendlich viele Möglichkeiten. Man kann jedoch eine Wahrscheinlichkeit d$w(x)$ dafür angeben, daß das Ereignis zwischen den Werten $x$ und $x$+d$x$ liegt:

\begin{displaymath}
{\rm d}w(x) = \frac{{\rm d}w(x)}{{\rm d}x} {\rm d}x = w'(x){\rm d}x.
\end{displaymath}

Da ein Ereignis sicher in das Intervall $a \leq x \leq b$ fällt, gilt
\begin{displaymath}
\sum_{\rm i} \ \ (x_{\rm i}) = 1 \qquad {\rm bzw.} \int\limits_{\rm a}^{\rm b}
\ \ w'(x)
{\rm d}x = 1 .
\end{displaymath} (2)

Den Erwartungswert $<x>$ einer diskreten Zufallsgröße erhält man, indem man jeden möglichen Wert $x_{\rm i}$ mit der Wahrscheinlichkeit $w(x_{\rm i})$ multipliziert und alle diese Produkte aufsummiert:
\begin{displaymath}
<x> = \sum_{\rm i} \ \ x_{\rm i} \cdot w(x_{\rm i}) .
\end{displaymath} (3)

Der Erwartungswert ist mithin das gewichtete Mittel aller $x_{\rm i}$, wobei die Wahrscheinlichkeiten als Gewichte fungieren. Den Erwartungswert einer kontinuierlichen Zufallsgröße definiert man in Analogie zu (3) durch
\begin{displaymath}
<w> = \int\limits_{\rm a}^{\rm b} \ \ x \ w'(x) {\rm d}x =
\int\limits_{\rm a}^{\rm b} \ x {\rm d}w \ .
\end{displaymath} (4)

Zur Charakterisierung der zu erwartenden Streuung der Ereignisse um den Erwartungswert wird die sogenannte Standardabweichung $\sigma$ eingeführt. Für diskrete Zufallsgrößen ist sie durch
\begin{displaymath}
\sigma_{\rm x_{\rm i}}^{2} = \sum_{\rm i} \ (x_{\rm i} - <x>)^2 w(x_{\rm i})
\end{displaymath} (5)

definiert, bei kontinuierlichen Zufallsgrößen durch
\begin{displaymath}
\sigma_{\rm x}^{2} = \int\limits_{\rm a}^{\rm b} \ (x - <x>)^2 {\rm d}w \ .
\end{displaymath} (6)

$\sigma_{\rm x}^{2}$ wird auch mittleres Streuungsquadrat der Größe $x_{\rm i}$ bzw. $x$ genannt. Die GAUSS-Verteilung oder auch Normalverteilung
\begin{displaymath}
w'(x) {\rm d}x = \frac{1}{\sigma_{\rm x} \sqrt{2 \pi}}
{\...
...ft(-
\frac{(x - <x>)^{2}}{2 \sigma_{\rm x}} \right) {\rm d}x
\end{displaymath} (7)


Tabelle 1: Wahrscheinlichkeiten dafür, daß ein Zufallsereignis innerhalb vorgegebener Intervallgrenzen liegt.
$<x> \pm \ \varepsilon$ $w(\varepsilon )$
$<x>$ $\pm$ $\sigma_{\rm x}$ 68,3%
$<x>$ $\pm$ $1,96 \sigma_{\rm x}$ 95,0%
$<x>$ $\pm$ $2 \sigma_{\rm x}$ 95,4%
$<x>$ $\pm$ $2,58 \sigma_{\rm x}$ 99,0%
$<x>$ $\pm$ $3 \sigma_{\rm x}$ 99,7%

(nach C. F. GAUSS, 1777-1855) gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Zufallsereignis eintritt, das um den Betrag $x$ bis $x$ + d$x$ vom Erwartungswert abweicht. Die Wahrscheinlichkeit $w(\varepsilon )$, daß das Zufallsereignis innerhalb des Intervalls $<x> \pm \ \varepsilon$ liegt, ergibt sich dann zu
\begin{displaymath}
w(\varepsilon ) = \int\limits_{<x>-\varepsilon}^{<x>+\varep...
...
-\frac{(x - <x>)^{2}}{2 \sigma_{\rm x}} \right) {\rm d}x \ .
\end{displaymath} (8)

Für verschiedene Werte von $\varepsilon $ gibt die Tabelle 1 die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten $w(\varepsilon )$. Abb. 1. zeigt die GAUSS-Verteilung. Die von $w'(x)$ und der Abszissenachse eingeschlossene Fläche ist für alle $\sigma_{\rm x}$ nach (2) gleich 1; durch die Größe von $\sigma_{\rm x}$ wird aber die Form der Kurve bestimmt. Immer liegen die Wendepunkte der Glockenkurve bei den Abszissenwerten von $\pm \sigma_{\rm x}$. Kleine Standardabweichungen ergeben mithin schmale, hohe GAUSS-Verteilungen, große Standardabweichungen hingegen niedrige, flache Kurven.


Abb. 1: Gauss-Verteilung (Normalverteilung)


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Juergen Weiprecht 2002-10-29