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2.1.1 Ursache und Wirkungen der atmosphärischen Refraktion

Mit Refraktion bezeichnet man in der Astronomie die durch Strahlenbrechung in der Atmosphäre bewirkte Ablenkung der Lichtstrahlen eines Gestirns und die daraus resultierende scheinbare Koordinatenänderung eines Punktes an der scheinbaren Himmelskugel. In einer Atmosphäre, deren Dichte mit kleiner werdender Höhe kontinuierlich zunimmt, wird ein schräg zum Dichtegradienten auftreffender Strahl zum Erdboden hin gekrümmt. Die scheinbare Vergrößerung der Höhe bzw. Verringerung der Zenitdistanz $z$ eines Gestirns, die genau im Zenit zu Null wird, beträgt bei $z = 50^\circ$ ca. 1$'$, bei $z = 80^\circ$ ca. 5$'$ und am Horizont ($z = 90^\circ$) ca. 35$'$ (Horizontrefraktion). Der Verlauf $R(z)$ wird als Refraktionskurve bezeichnet. Die genaue Kenntnis der Refraktionskurve ist für das Aufsuchen sehr schwacher Objekte bei ihren scheinbar veränderten Koordinaten wichtig. Der genaue Wert der Refraktion $R$ ist außer von der Zenitdistanz von verschiedenen weiteren Größen, wie z.B. den atmosphärischen Bedingungen, der geographischen Breite und der Höhe über Meeresspiegel (Normalnull) abhängig und kann sogenannten Refraktionstafeln entnommen werden. Diese werden mit Hilfe von Refraktionsformeln auf Grundlage von mehr oder weniger vereinfachten Atmosphärenmodellen berechnet. Die sich mit verändernder Zenitdistanz verändernde Refraktion (differentielle Refraktion) bewirkt bei der Betrachtung ausgedehnter Objekte oder Himmelsgebiete deren Stauchung. So erscheint die Sonnenscheibe in Horizontnähe deutlich abgeplattet. Da der Brechungsindex wellenlängenabhängig ist, erscheint das Sternscheibchen in Horizontnähe zu einem senkrecht zum Horizont liegenden kleinen Spektrum auseinandergezogen (atmosphärische Dispersion). Liegen die atmosphärischen Schichten gleicher Dichte nicht parallel zur Erdoberfläche, so können Refraktionsanomalien auftreten, d.h., die Refraktion kann auch vom Azimut abhängen oder im Zenit auftreten. Die meßbare Intensität der Strahlung eines Sterns nimmt mit zunehmender Zenitdistanz ab, da die optische Weglänge, die in Einheiten der Luftmasse (die Luftmasse 1 entspricht der optischen Dicke der Atmosphäre im Zenit) angegeben wird, refraktionsbedingt zunimmt. Die Kenntnis der Länge des optischen Weges ist also für die Helligkeitsbestimmung von Sternen notwendig. Die optische Dicke der Atmosphäre kann basierend auf ihrer geometrischen Dicke durch ein Atmosphärenmodell bestimmt werden.

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Juergen Weiprecht 2002-10-29