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2.1.2.1 Planparallele Atmosphärenschichtung - Näherungslösung für kleine Zenitdistanzen

Im Rahmen eines stark vereinfachten Modells besteht die Erdatmosphäre am Beobachtungsort aus planparallelen, horizontal zum Beobachter liegenden Schichten mit dem jeweiligen Brechungsindex $n_i$ (siehe Abb. 1).


Abb. 1: Planparalleles Atmosphärenmodell.

Nach dem SNELLIUSschen Brechungsgesetz gilt für die Schichtenübergänge eines Lichtstrahls, der vom freien Weltraum ($n_\infty$) bis zur erdbodennächsten Schicht ($n_1$) gelangt:

\begin{displaymath}
n_1 \cdot \sin z_1 = n_2 \cdot \sin z_2 = \dots = n_i \cdot \sin z_i = \dots
n_\infty \cdot \sin z_\infty,
\end{displaymath}

wobei die Winkel $z_i (i= 1 \dots \infty)$ die in den entsprechenden Atmosphärenschichten vorliegenden Zenitdistanzen darstellen (siehe Abb. 1). Mit $n_\infty = 1$, $z_\infty = z_{\rm wahr} = z_{\rm schein} + R$ (beobachtete Zenitdistanz ohne Vorhandensein einer Atmosphäre) und $z_1 = z_{\rm schein}$ (beobachtete Zenitdistanz mit Atmosphäre) ergibt sich:
\begin{displaymath}
n_1 \cdot \sin z_{\rm schein} = \sin(z_{\rm schein} + R).
\end{displaymath} (1)

Aus Gleichung (1) erhält man nach Anwendung eines Additionstheorems und den bei der Kleinheit von $R$ möglichen Vereinfachungen $\cos R \approx 1$ und $\sin R \approx R$ eine einfache Formel zur Berechnung des Refraktionswinkels $R$ (im Bogenmaß):
\begin{displaymath}
R = (n_1 - 1) \cdot \tan z_1.
\end{displaymath} (2)

Praktisch muß zur Bestimmung von $R$ der unbekannte Wert von $n_1$ auf Grundlage der zur Beobachtungszeit vorliegenden atmosphärischen Bedingungen berechnet werden. Ausgehend von der Temperatur $T$, dem Druck $p$ und dem mittleren Molekulargewicht $\bar{\mu}$ eines idealen Gases läßt sich dessen Dichte $\rho$ ermitteln ($R$ ...universelle Gaskonstante, $R = 8,31 \cdot 10^3 \ \frac{\rm J}{\rm kmol \ K}$):
\begin{displaymath}
\rho = \frac{\bar{\mu} p}{T R}.
\end{displaymath} (3)

Zwischen der Dichte $\rho$ und dem Brechungsindex $n$ besteht für Gasmoleküle in sehr guter Näherung die folgende Beziehung:
\begin{displaymath}
\frac{n^2-1}{n^2+2} \sim \rho.
\end{displaymath} (4)

(4) kann unter der Annahme, daß der Brechungsindex der atmosphärischen Moleküle nicht viel größer als eins ist, zu

\begin{displaymath}
(n-1) \sim \rho
\end{displaymath} (5)


vereinfacht werden. Aus (3) und (5) ergibt sich eine Verhältnisgleichung, mit deren Hilfe der gesuchte, um eins verminderte Brechungsindex $(n_1-1)$ aus den gegebenen Werten von $T_1$ [K] und $p_1$ [kPa] berechnet wird, wobei vom Brechungsindex $n_{1_0}$ (z.B. bei $\lambda=580$ nm $n_{1_0}
= 1,000293$) bei den atmosphärischen Normbedingungen $T_{1_0}=273$ K und $p_{1_0}=101,325$ kPA ausgegangen wird:
$\displaystyle \frac{n_1 - 1}{n_{1_0} - 1}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{p_1}{p_{1_0}} \cdot
\frac{T_{1_0}}{T_1},$ (6)
$\displaystyle (n_1 - 1 )$ $\textstyle =$ $\displaystyle (n_{1_0} - 1) \cdot 2,6943 \frac{p_1}{T_1};
\qquad \qquad [p_1/{\rm kPa}, T_1/{\rm K}].$ (7)

In Refraktionstafeln (z.B. [1]) findet man die Größen $A$ ( $= \frac{\Delta p}{p_{1_0}}$) und $B$ ( $= \frac{\Delta T}{T_{1_0}}$), die als Differenzenquotienten auf Grundlage von (6) abgeleitet werden können. Bei der Bestimmung von $(n_1-1)$ aus $(n_{1_0}-1)$ sind $A$ und $B$ dann einfach als additive Korrekturterme anzubringen:
$\displaystyle (n_1 - 1 )$ $\textstyle =$ $\displaystyle (n_{1_0} - 1) \cdot (1 + A + B).$ (8)

Aufbauend auf (2), (7) und (8) kann der Refraktionswinkel $R$ (in Winkelsekunden) nun wie folgt bestimmt werden:

$\displaystyle R$ $\textstyle =$ $\displaystyle (n_{1_0} - 1) \cdot 555822 \frac{p_1}{T_1}
\cdot \tan z_1 \ \ \mbox{oder}$ (9)
$\displaystyle R$ $\textstyle =$ $\displaystyle (n_{1_0} - 1) \cdot 206265 (1 + A + B) \cdot \tan z_1.$ (10)

Dabei kann $n_{1_0}(\lambda)$ für die Erdatmosphäre (bei trockener Luft) näherungsweise wie folgt berechnet werden [2]:

\begin{displaymath}
n_{1_0} = 1 + 2,876 \cdot 10^{-4} + 1,629 \cdot 10^{-6} \la...
...ot 10^{-8} \lambda^{-4}; \qquad \qquad [\lambda /\mu{\rm m}].
\end{displaymath}

Die Proportionalität zwischen dem Refraktionswinkel und der scheinbaren Zenitdistanz, die sich unter Annahme des planparallelen Atmosphärenmodells ergibt, gilt bis zu einer Zenitdistanz von 45$^\circ$ recht genau ( $\Delta R(z_{\rm schein}=45^\circ) = 0,15''$). Bei größeren Werten von $z_{\rm schein}$ muß der Berechnung von $R$ ein der Realität besser angepaßtes Atmosphärenmodell zugrunde gelegt werden.


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Juergen Weiprecht 2002-10-29