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6.2 Gerätetechnische Grundlagen

Der vom Teleskop empfangene integrale Strahlungsstrom wird in einem Spektralapparat durch ein Prisma oder ein Gitter in seine wellenlängenabhängigen Bestandteile zerlegt. Bei der Verwendung eines Prismas oder Kombinationen von Prismen erfolgt die Zerlegung auf Grund der Wellenlängenabhängigkeit des Brechungsindex der verwendeten Prismengläser. Bei der Verwendung von Strichgittern wird die spektrale Auflösung des integralen Strahlungsstromes durch die Beugung erreicht. In modernen Gitterspektrographen kommen Reflexionsgitter zum Einsatz, bei denen die geometrische Form der einzelnen Gitterelemente so gestaltet ist, daß ein großer Teil der gebeugten Strahlung in einen bestimmten Winkelbereich und damit in eine bestimmte Ordnung reflektiert wird. Diese sogenannten "`blaze"'-("`Glanz"'-)Gitter haben den entscheidenden Vorteil, den im allgemeinen schwachen stellaren Strahlungsstrom in eine Ordnung zu konzentrieren. Damit kann von dem Empfänger ein stärkeres Signal aufgenommen werden. Für die Charakterisierung der Leistungsfähigkeit von Spektrographen werden verschiedene Kenngrößen verwendet. Bei Prismenspektralapparaten wird die Dispersion des Glases, d.h. die Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahl $n = n (\lambda )$ zur spektralen Zerlegung des Sternlichtes genutzt. Man unterscheidet dabei zwischen der

 Materialdispersion $D_{\rm M} = \frac{{\displaystyle{\rm d}n}}{{\displaystyle{\rm d}\lambda} }$, 


Winkeldispersion $D_{\rm W} = \frac{{\displaystyle{\rm d}\gamma}}{{\displaystyle{\rm d}\lambda}}$ und

Lineardispersion $D_{\rm L} = \frac{\displaystyle{{\rm d}s}} {\displaystyle{{\rm d}\lambda}} = f ...
...splaystyle{{\rm d}\gamma}}{\displaystyle{ {\rm d}\lambda }} = f \cdot D_{\rm W}$
Als mittlere Dispersion werden oft die Differenzen von $n, \gamma$ und $s$, dividiert durch die Differenz der entsprechenden Wellenlängen für H$_\alpha$ und H$_\beta$, bezeichnet.
Im einzelnen haben die in den Definitionsgleichungen auftretenden Ausdrücke folgende Bedeutung:
d$s$:
linearer Abstand zweier Spektrallinien - mit dem Wellenlängenunterschied d$\lambda$ - auf der Registrierung,
d$\gamma $:
Differenz der Ablenkungswinkel zweier Strahlenbündel der Wellenlängendifferenz d$\lambda$,
$f$:
Brennweite des abbildenden Systems.
Bei Prismenspektralapparaten ist das Auflösungsvermögen durch $A \ = \ b \cdot \vert D_{\rm M}\vert$ gegeben. Dabei ist $b$ die Basisbreite des verwendeten Prismas. Bei der Verwendung von Gittern wird durch das spektrale Auflösungsvermögen
\begin{displaymath}
A \ = \ \frac{\lambda}{\Delta \lambda} \ = \ ( m \cdot N)
\end{displaymath} (1)

die Leistungsfähigkeit eines Spektralapparates charakterisiert. In der Beziehung bedeuten
$\lambda$ :
die Wellenlänge, bei der gemessen wird,
$\Delta \lambda$:
die Wellenlängendifferenz der Spektrallinien, die gerade noch getrennt wahrgenommen werden können.
In Analogie zur Definition zum Auflösungsvermögen anderer optischer Systeme wird $\Delta \lambda$ bestimmt: Benachbarte Bilder eines sehr schmalen Spaltes werden dann getrennt wahrgenommen, wenn das Hauptmaximum einer Linie mit dem Beugungsminimum der anderen zusammenfällt (RAYLEIGH-Kriterium).
Bei der Verwendung eines Gitters hängt das Auflösungsvermögen allgemein von den eingeklammerten Größen in Beziehung (1) ab. Es bedeuten
$N$ :
die Gesamtzahl der Striche des Gitters und
$m$ :
die Ordnung der Beugungsbilder in der beobachtet wird.
Im speziellen Fall sind beide Parameter in einem Spektrographen konstruktionsbedingt festgelegt. Als Dispersionskurven bezeichnet man die (graphisch dargestellten) Funktionen $D_{\rm M}(\lambda ), \ D_{\rm W}(\lambda ) \
\linebreak {\rm bzw.} \ D_{\rm L}(\lambda )$, die empirisch durch Ausmessen eines bekannten Spektrums gewonnen werden. Da bei einem Objektivprisma (siehe Abschnitt 6.2.2) die Strahlenbündel der im Gesichtsfeld befindlichen Sterne im allgemeinen mit unterschiedlichem Einfallswinkel auf das Prisma treffen, ist die Winkel- und die Lineardispersion der Spektren ebenfalls unterschiedlich. Zur Linienidentifikation benötigt man u.a. den Abstand
\begin{displaymath}
s(\lambda ) \ = \ \int D_{\rm L} (\lambda ) {\rm d}\lambda
\end{displaymath} (2)

der unbekannten Spektrallinie von einer Bezugslinie.





Abb. 1: Prinzipieller Aufbau und Verläufe der Strahlengänge in gebräuchlichen Typen von Spektralapparaten. Die Spaltspektrographen (a, b) befinden sich am Ende des Strahlenganges des Teleskops; d.h. die Spaltebene des Spektrographen liegt in der Brennfläche des Teleskops. Beim Gitterspektrographen werden vorwiegend "`blaze"'- Gitter eingesetzt. Die Abbildung der Spektren auf den Empfänger kann mit einer SCHMIDTkamera erfolgen. Beim Objektivprismenspektrographen (c) befindet sich das Prisma vor der Eintrittsöffnung des Teleskops. Bei der Aufnahme eines Sternfeldes muß die optische Achse des Teleskops (strich-punktierte Linie) um den Ablenkwinkel $\beta$ des Prismas gedreht werden.


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Juergen Weiprecht 2002-10-29