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7.2.3 Hinweise

Zu 1.: Bevor die eigentlichen interferometrischen Messungen erfolgen können, muß der Interferometeraufsatz auf dem Tubus befestigt und für die Positionswinkelmessung in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet werden. Der Positionswinkel gibt den Winkel zwischen der Richtung der Verbindungslinie des Hauptsterns (A) zum Begleiter (B) und der Richtung vom Hauptstern zum Himmelsnordpol (Nord-Süd-Richtung) an, wobei von Nord über Ost und Süd nach West gemessen wird. Zur Justierung des Interferometeraufsatzes in Nord-Süd-Richtung wird ein beliebiger Stern in der Nähe des Meridians aufgesucht und der Aufsatz so gedreht, daß das Beugungsbild genau senkrecht zu einem Deklinationskreis entsprechend der täglichen Bewegung entlangläuft.

Tabelle 1: Liste heller enger Doppelsterne

Doppelstern-Nr.    
im Sternkatalog $\alpha_{2000}$ $\delta_{2000}$
von BOSS (GC) [h.min s] [$^\circ$.$'$ $''$]
3582 2.5913 21.2026
6655 5.2429 -2.2340
7262 5.4800 6.2715
10120 7.3437 31.5317
11141 7.1215 17.4255
19777 14.4108 13.4342
20696 15.2311 30.1725
22464 16.4119 31.3551
23092 16.0529 54.2405
30437 21.4407 28.4446
31398 22.2849 -0.0114


Nun kann das Teleskop mittels der in Tabelle 1 gegebenen äquatorialen Koordinaten auf einen Doppelstern eingestellt werden. Dabei sollte zunächst ein Übersichtsokular verwendet werden, um das Interferenzbild möglichst hell zu sehen. Nachdem das Zentrum des Streifenmusters in die Bildmitte gebracht wurde, wird zur größtmöglichen Vergrößerung gewechselt. Nachdem das Zentrum des Interferenzbildes in die Bildmitte gestellt wurde, kann die interferometrische Messung beginnen. Im ersten Schritt wird der Positionswinkel $P$ durch Drehung des Aufsatzes und gleichzeitiger Beobachtung des Kontrastes der Interferenzstreifen bestimmt. Der maximale Kontrast tritt unabhängig vom Spaltabstand $d$ auf, wenn die Spalte parallel zur Verbindungslinie der beiden Komponenten stehen (man beobachtet dann praktisch einen "`verlängerten"' Einzelstern). Dabei ist zu beachten, daß es zwei um $180^\circ$ zueinander verdrehte Stellungen mit maximalem Kontrast gibt. Im zweiten Schritt wird der Winkelabstand $\rho$ der Doppelsternkomponenten ermittelt. Dazu werden zunächst die Spalte bei Kenntnis des Positionswinkels senkrecht zur Verbindungslinie der Komponenten gestellt. Dann werden die Intensitätsverteilungen der entsprechenden Interferenzstreifenmuster bei sieben Spaltabständen $d$ im Bereich von $d=$8-14 cm (Schrittweite $\Delta d=$1 cm) mittels des CCD-Empfängers aufgezeichnet und in Dateien im Computer abgespeichert. Die gespeicherten Intensitätsverteilungen werden im folgenden mit Hilfe eines Bildverarbeitungsprogramms dargestellt und ausgedruckt. Nun können für jede der Verteilungen die Werte von $I_{\rm min}(d)$ und $I_{\rm max}(d)$ ermittelt und der Kontrast $V(d)$ bei Nutzung der folgenden Formel berechnet werden:

\begin{displaymath}
V(d) = \frac{I_{\rm max}(d) - I_{\rm min}(d)}{I_{\rm max}(d) +
I_{\rm min}(d)}.
\end{displaymath}

Zur Ableitung von $\rho$ werden die erhaltenen Werte von $V(d)$ anschließend in ein $V(d)$-$d$-Diagramm eingetragen und durch eine cos-Funktion ausgeglichen. In Vorbereitung dieser Arbeit sollte man sich die Verläufe von $V(d)$ bei verschiedenen Werten von $\rho$, $w$ und $\lambda$ mit Hilfe des Computerprogramms VISIBILITY [16] anschauen. Die im Rahmen des vorliegenden Programms genutzte Routine zur Berechnung der BESSELfunktion 1. Ordnung wurde [14] entnommen. Entsprechend der für einen Doppelstern gültigen Kontrastfunktion:

\begin{displaymath}
V(d) \ = \ \frac{1 + w \cos (2\pi \frac{d}{\lambda} \rho)}{1 + w}
\end{displaymath}

läßt sich $\rho$ (im Bogenmaß) aus der Charakteristik der cos-Funktion ermitteln: das erste Minimum liegt bei $\frac{d}{\lambda} \rho = \frac{1}{2}$ , das folgende Maximum bei $\frac{d}{\lambda} \rho = 1$ , das nächste Minimum bei $\frac{d}{\lambda} \rho = \frac{3}{2}$, usw. Das Intensitätsverhältnis $w$ läßt sich mit Hilfe der im Funktionsverlauf ablesbaren Werte $V_{\rm max}$ und $V_{\rm min}$ wie folgt bestimmen:

\begin{displaymath}
w = \frac{V_{\rm max} - V_{\rm min}}{V_{\rm max} + V_{\rm min}}.
\end{displaymath}

Bis zu welchem Winkelabstand $\rho$ können mit dem vorgegebenen MICHELSON-Sterninterferometer Doppelsterne aufgelöst werden?

Zu 2.: Mit dem vorliegenden Interferometer lassen sich die Winkeldurchmesser von nur wenigen in Tabelle 2 aufgeführten Objekten des Sonnensystems bestimmen (für zu kleine Winkeldurchmesser reicht der mögliche Spaltabstand nicht aus, bei zu großen Winkeldurchmessern liegen die gut sichtbaren Werte von $V(d)$ bei Spaltabständen innerhalb des Mindestspaltabstandes). Die Position des zur interferometrischen Vermessung aus Tabelle 2 ausgesuchten Objektes kann einem Jahrbuch entnommen werden. Zum Aufsuchen des (lichtschwachen) Objektes empfiehlt sich die Verwendung einer Umgebungskarte, die zuvor auf Grundlage einer Sternkarte angefertigt wurde. Im Falle der GALILEIschen Monde (Io, Europa, Ganymed, Kallisto) existieren in einigen Jahrbüchern schon Darstellungen, die deren zeitabhängige Konstellationen relativ zum Jupiter zeigen und so als Aufsuchhilfe geeignet sind. Bei der Bestimmung von $\alpha$ wird zunächst der beobachtbare Kontrastverlauf $V(d)$ analog zu Punkt 1. ermittelt. Mit Hilfe des für ein örtlich konstant strahlendes Scheibchen gültigen Kontrastfunktionsverlaufes kann der Winkeldurchmesser $\alpha$ abgeleitet werden:

\begin{displaymath}
V(d) = 2 \left\vert \frac{J_1 (\frac{d}{\lambda} \pi \alpha)}
{\frac{d}{\lambda} \pi \alpha} \right\vert.
\end{displaymath}

Dazu werden die Nullstellen der BESSELfunktion erster Ordnung $J_1$ herangezogen, d.h.
$\frac{d}{\lambda} \pi \alpha \approx \{
3,83, \approx 5,14, \approx 7,02, \approx 8,42$, ...} (mit Hilfe des Programms VISIBILITY [16] können die Verläufe von $V(d)$ bei verschiedenen Werten von $\alpha$ und $\lambda$ erzeugt werden). Bei der Auswahl des Objektes sollte darauf geachtet werden, daß der Phasenwinkel des Objektes (Winkel zwischen den vom Objekt zu Sonne und Erde zeigenden Strahlen) möglichst klein ist - warum? Welcher Spaltabstand $d$ ist zur Auflösung des Winkeldurchmessers $\alpha$ des roten Überriesen $\alpha$Orionis (Beteigeuze, Durchmesser $\approx 730$ Sonnendurchmesser, Abstand 180 pc ($\approx$600 Lichtjahre) bei $\lambda=0,5 \mu$m notwendig, d. h. wann wird $V(d)$ erstmals Null?

Tabelle 2: Liste ausgedehnter Objekte

Objekt Visuelle Helligkeit $m_{\rm V}$ [m]
Uranus 5,9 ...6,2
Neptun 7,7 ...7,8
Io 5,0 ...
Europa 5,3 ...
Ganymed 4,6 ...
Kallisto 5,7 ...
Ceres 7,5 ...9,0
Vesta 6,0 ...7,7




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Juergen Weiprecht 2002-10-29