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8.2.1 Scheinbare Helligkeiten

Etwa 120 Jahre vor unserer Zeitrechnung teilte der griechische Astronom HIPPARCH die Sterne entsprechend ihrer Helligkeit in Größenklassen ein. Die Einteilung erfolgte entsprechend der zunehmenden Sichtbarkeit von Sternen mit fortschreitender Abenddämmerung. Die hellsten Sterne, die zuerst sichtbar wurden, kamen in die Klasse 1 und die erst bei vollständiger Dunkelheit sichtbar werdenden Sterne wurden der 6. Größenklasse zugeordnet. Diese Einteilung spiegelt das psychophysische Grundgesetz wider, das von WEBER und FECHNER 1859 entdeckt wurde. Danach ist die Empfindung (die Helligkeit eines Objekts) proportional zum Logarithmus des die Empfindung auslösenden Reizes (der Strahlungsstrom $S$, der von einem Objekt in das Auge gelangt). Die scheinbare Helligkeit $m$ eines astronomischen Objekts ist ein Maß für den mit einer bestimmten Meßapparatur (z.B. SEV, CCD, Photoplatte) empfangenen Strahlungsstrom $S \ {\rm [J\,m^{-2}\,s^{-1}]}$. Als Maßeinheit dient historisch bedingt - und damit an das WEBER-FECHNERsche-Gesetz angelehnt - die Größenklasse (lat. magnitudo). Die Größenklassenskala wird durch die Gleichung
\begin{displaymath}
m_1 - m_2 = - 2,5 \ log \ \frac{S_1}{S_2}
\end{displaymath} (1)

definiert. $S_1$ und $S_2$ sind dabei die gemessenen Strahlungsströme und $m_1 \, , \, m_2$ die zugehörigen Helligkeiten (siehe auch Aufgabe 5). Der Proportionalitätsfaktor 2,5 dient der Anpassung an die klassischen visuellen Beobachtungen und wurde um 1856 von N. POGSON eingeführt. Das Minuszeichen bewirkt, daß bei abnehmendem Strahlungsstrom die Maßzahl der scheinbaren Helligkeit steigt. Der Nullpunkt der Skala wäre im Prinzip durch die Festlegung der Helligkeit eines Sterns bestimmt. Tatsächlich wird der Nullpunkt durch ein System von genau vermessenen Standardsternen [1] bestimmt. Eine bestimmte scheinbare Helligkeit innerhalb der Skala wird durch ein hochgestelltes m hinter der Maßzahl oder über dem Komma gekennzeichnet ( $2\!\stackrel{\rm m}{,}\!4$). Bezeichnet die Maßzahl eine Helligkeitsdifferenz, wird das durch ein nachgestelltes mag ausgedrückt (2,4 mag). Bis jetzt haben wir stillschweigend vorausgesetzt, daß es sich um visuelle Helligkeiten, also mit dem Auge beobachtete Helligkeiten handelt. Das Auge nimmt aber nur Strahlungsströme in einem begrenzten Wellenlängenintervall $\Delta \lambda$ wahr (etwa von $\lambda\!=\!350\ {\rm bis}\ 650\,{\rm nm}$). Dieser Bereich ist durch die spektrale Empfindlichkeitskurve des Auges [2] definiert. Im Fall von technischen Strahlungsempfängern wird der Spektralbereich durch ein Filter begrenzt. Eine Helligkeitsangabe ist also nur in Verbindung mit der Angabe eines definierten Spektralbereichs sinnvoll und kann dann mit anderen Helligkeitsangaben verglichen werden. Die Helligkeit wird deshalb mit einem Index versehen, der den verwendeten Spektralbereich oder genauer die Transmissionskurve des verwendeten Filters charakterisiert. Visuelle Helligkeiten erhalten ein kleines v als Index ($m_{\rm v}$). Wird die Helligkeit im Grenzfall nur für eine Wellenlänge bestimmt, geht also das Wellenlängenintervall $\Delta \lambda$ gegen Null (etwa durch Verwendung sehr schmalbandiger Interferenzfilter), so handelt es sich um monochromatische Helligkeiten. Wir werden später darauf hinweisen, wenn einige Gleichungen streng nur für den monochromatischen Fall gelten. Beachtet man das eben gesagte und berücksichtigt, daß jedes optische Medium durch seine lichtbrechenden, absorbierenden und streuenden Eigenschaften ein Filter darstellt, kann man eine Helligkeit auch in der folgenden Form darstellen.
\begin{displaymath}
m = -2.5 \log \cdot \int\limits_{\lambda_1}^{\lambda_2} S(\...
...cdot F(\lambda)
\cdot E(\lambda) \, {\rm d}\lambda + C \, .
\end{displaymath} (2)

Die Faktoren unter dem Integral sind entsprechend der Reihenfolge ihrer Einwirkung auf das Sternlicht geordnet und bedeuten von links nach rechts: Die Konstante $C$ ist die Nullpunktskonstante der Helligkeitsskala. Die Integrationsgrenzen $\lambda_1$ und $\lambda_2$ sind durch die Nullstellen der Filtertransmissionsfunktion gegeben. Einen zusätzlichen Einfluß der verwendeten Optik haben wir hier vernachlässigt. Wollen zwei verschiedene Beobachter A und B ihre Beobachtungen vergleichen, sollten die Funktionen $F_{\rm A}(\lambda)$ und $E_{\rm A}(\lambda)$ durch geeignete Wahl von Filter und Empfänger möglichst gleich $F_{\rm B}(\lambda)$ und $E_{\rm B}(\lambda)$ des zweiten Beobachters sein. Anders ausgedrückt, die Schwerpunktswellenlänge oder effektive Wellenlänge, die sich aus der Filter-Empfänger-Kombination berechnen läßt, muß bei A und B identisch sein.
\begin{displaymath}
\lambda_{\circ} = \frac {\int\limits_{\lambda_1}^{\lambda_2...
...mbda_2}
F(\lambda) \cdot E(\lambda) \, {\rm d}\lambda} \, .
\end{displaymath} (3)

Das wird in der Praxis jedoch nie vollständig zu erreichen sein. Sind die Unterschiede klein und die Filter nicht zu breitbandig, lassen sich die unterschiedlichen Helligkeiten beider Beobachter durch eine lineare Gleichung miteinander in Beziehung setzen. Vergleicht man beide Skalen $m_{\rm A}$ und $m_{\rm B}$, dann werden Sterne mit gleichem Gesamtstrahlungsstrom, aber unterschiedlichen Energieverteilungen unterschiedliche Helligkeitsdifferenzen aufweisen. Betrachtet man die Sterne in erster Näherung als schwarze Strahler, so bedeutet eine unterschiedliche Energieverteilung eine unterschiedliche effektive Temperatur und damit eine unterschiedliche Farbe (WIENsches Verschiebungsgesetz). Die Korrektur von einer Helligkeitsskala in die andere ist also von der Temperatur bzw. Farbe des Sterns abhängig.
\begin{displaymath}
m_{\rm A} =C_1 + C_2 \cdot m_{\rm B} + C_3 \cdot f(T_{\rm eff})
\end{displaymath} (4)

Eine Gleichung dieser Art wird in der astronomischen Photometrie als Farbgleichung bezeichnet. $C_1$ ist wieder eine Nullpunktskonstante, $C_2$ ist ein Skalenfaktor und $C_3$ bestimmt den Grad der Farbabhängigkeit.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29