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8.2.4.1 Die Extinktion

Die Durchlässigkeit der Erdatmosphäre für elektromagnetische Strahlung ist stark wellenlängenabhängig, wobei die Abschwächung der Strahlung durch Absorption und Streuung erfolgt. Durch die Extinktion gelangen im visuellen Spektralbereich etwa nur 5/6 der einfallenden Strahlung bis zur Erdoberfläche. Bei dem Prozeß der Absorption wird ein Photon vernichtet und dessen Energie geht auf das absorbierende Molekül über, das dadurch in einen angeregten Energiezustand gelangt. Ursache für die Absorption im Ultraviolettbereich (UV) sind die Atome und Moleküle N, ${\rm N_2}$, O, ${\rm O_2}$ und ${\rm O_3}$. Im Infrarotbereich (IR) hingegen absorbieren vor allem ${\rm CO_2}$ und ${\rm H_2O}$ (siehe Abb. 4 und Abb. 1 in Aufgabe 4). Diese Atmosphärenbestandteile bewirken, daß im UV eine völlige Undurchlässigkeit bei Wellenlängen kleiner als 290 nm herrscht. Im IR und im Radiobereich gelangt dagegen in einigen schmalen Gebieten - sogenannten Fenstern - noch Strahlung bis zur Erdoberfläche.


Streuung beinhaltet die Kollision eines Photons mit einem Teilchen und die anschließende Richtungsänderung des Photons. Es ändert sich sowohl der energetische Zustand des Photons als auch der des Teilchens. Die Streuung in der Erdatmosphäre wird durch Teilchen sehr unterschiedlicher Größe verursacht. Die Streuung an Luftmolekülen mit Größen von $10^{-4}\,\mu$m wird als Rayleigh-Streuung bezeichnet und der Streu- oder Extinktionskoeffizient $k_{\rm R}(\lambda)$ in Größenklassen ist proportional zu $\lambda^{-4}$. Für Aerosole mit Teilchengrößen zwischen $10^{-2} \ {\rm bis} \ 1\,\mu$m ist die Wellenlängenabhängigkeit durch
\begin{displaymath}
k_{\rm D}(\lambda) = {-2.5 \lg e^{-\beta \lambda^{-\alpha}} }
\; ; \;
[\lambda/\mu {\rm m}]
\end{displaymath} (11)

gegeben [6]. Sehr große Teilchen mit Durchmessern zwischen $1 \ {\rm bis} \ 10\,\mu$m streuen unabhängig von der Wellenlänge und teilweise in die Richtung zurück, aus der das Licht ursprünglich kam. Ein Effekt, der sich gut bei Nebel beobachten läßt. Die blaue Färbung des Tageshimmels rührt von der Rayleigh-Streuung her. Der beobachtete Gesamtextinktionskoeffizient $k(\lambda)$ setzt sich additiv aus den einzelnen Teilkomponenten zusammen. Beobachtet man im visuellen Spektralbereich und nicht gerade in einer speziellen Absorptionslinie (siehe Abb. 4), so kann man schreiben:
\begin{displaymath}
k(\lambda _ \circ ) = k_{\rm R}(\lambda _\circ )
+ k_{\rm O_3}(\lambda _\circ )
+ k_{\rm D}(\lambda _\circ ) \, .
\end{displaymath} (12)

$k_{\rm O_3}(\lambda _\circ )$ ist der Beitrag der Absorption durch Ozon zum Gesamtextinktionskoeffizienten. Die Größe der einzelnen Teilbeiträge hängt vom verwendeten Atmosphärenmodell ab. In Tabelle 1 sind die Extinktionskoeffizienten für die einzelnen Farbbereiche für ein Standardmodell gegeben. Die Wellenlängenabhängigkeit der einzelnen Extinktionsbeiträge ist in Abb. 5 dargestellt.


Der Anteil der Aerosolextinktion schwankt zeitlich und räumlich sehr stark und kann nur durch Beobachtung bestimmt werden. Die Rayleigh-Streuung ist abhängig vom Luftdruck und kann mit der folgenden Formel für den Luftdruck am Beobachtungsort korrigiert werden:
\begin{displaymath}
k_{\rm p}(\lambda) = k_{\rm p_{\circ}}(\lambda) \cdot \frac{p}{p_{\circ}}\, .
\end{displaymath} (13)

Mit $p_{\circ}$ ist der Normalluftdruck (101,325 kPa) und mit $p$ der Luftdruck am Beobachtungsort bezeichnet. Die Beobachtungen zeigen, daß sich die atmosphärische Transmission in Abhängigkeit von $\lambda$ und der Zenitdistanz $z$ in der Form
\begin{displaymath}
a(\lambda,z) = e^{-\kappa(\lambda) \cdot H(z)}
\end{displaymath} (14)

darstellen läßt. Dabei ist $\kappa(\lambda) \ [{\rm m^{-1}}]$ der Extinktionskoeffizient pro Längeneinheit und $H(z)$ eine charakteristische Länge, die die vom Lichtstrahl durchquerte optische Weglänge bezeichnet. $H(z)$ ist dabei gleich der Höhe einer Luftsäule konstanter Dichte, die die gleiche Luftmasse enthält, wie die vom Sternlicht tatsächlich durchlaufene Luftsäule. Unter Normalbedingungen, für einen Beobachter auf Meeresniveau, ergibt sich in Zenitrichtung $H(z\!=\!0) = 7.99\,{\rm km}$ als Äquivalenthöhe der Atmosphäre (Höhe einer homogenen Atmosphäre konstanter Dichte). Für die Bestimmung der Extinktionskorrektur von Sternen bei einer vorgegebenen Zenitdistanz ist es nun wichtig zu wissen, um wieviel länger der zurückgelegte Weg des Lichtstrahls $H(z)$ ist, als der bei einer Beobachtung im Zenit mit $H(z\!=\!0)$. Die Astronomen bezeichnen nun die dimensionslose Größe $X$
\begin{displaymath}
X = \frac {H(z)}{H(z\!=\!0)} \, ,
\end{displaymath} (15)

die das Verhältnis der optischen Weglängen darstellt, als Luftmasse. Ersetzt man nun in Gleichung (14) $H(z)$ aus Gleichung (15) und die Transmission durch das Verhältnis des beobachteten Strahlungsstromes $S_z$ mit dem an der Obergrenze der Atmosphäre eintretenden Strahlungsstrom $S_0$, erhält man:
\begin{displaymath}
\frac{S_z}{S_0} = e^{-\kappa(\lambda) \cdot X \cdot H(z=0)} \, .
\end{displaymath} (16)

Beim Übergang zu den Helligkeiten ergibt sich:
\begin{displaymath}
m(\lambda ,z)- m(\lambda ,z\!=\!0) = 2,5 \log e \cdot \kappa(\lambda)
\cdot H(z\!=\!0) \cdot X \, .
\end{displaymath} (17)

Stellt man die Gleichung nach $m(\lambda ,z\!=\!0)$ um und ersetzt die rechte Seite mit Ausnahme der Luftmasse durch den Extinktionskoeffizienten $k(\lambda)$, ausgedrückt in Größenklassen [mag], so erhält man:
\begin{displaymath}
m(\lambda ,z\!=\!0) = m(\lambda ,z) - k(\lambda) \cdot X \, .
\end{displaymath} (18)

Die Helligkeit eines Sterns nimmt also bei genügend schmaler Bandbreite des photometrischen Systems, aufgetragen über der Luftmasse, linear ab (siehe Abb. 6).


Die Extinktion erhält man praktisch durch die Beobachtung von Standardsternen im jeweiligen photometrischen System. Für einen beliebigen Standardstern der Helligkeit $(m_{\rm s})$, beobachtet mit einem vorgegebenen Instrument $(m_{\rm obs})$, kann man nach Gleichung (18) schreiben:
\begin{displaymath}
m_{\rm s} - m_{\rm obs} = {L(\lambda _{\circ}) - k(\lambda_{\circ})X} \,,
\end{displaymath} (19)

$L(\lambda _{\circ})$ ist ein instrumenteller Nullpunkt, der durch die Quanteneffektivität des Empfängers sowie die Transmission von Teleskop, Filter und Atmosphäre bei $z\!=\!0$ bestimmt wird. Die Luftmasse $X$ ergibt sich für eine planparallele homogene Atmosphäre konstanter Dichte gerade zu $X = 1/\cos z$ [5]. Für ein Kugelschalenmodel (siehe auch Aufgabe 2) ergibt sich:
\begin{displaymath}
X = \frac{1}{\cos z} - \frac{H(z\!=\!0)}{R} \cdot \frac{\sin^2 z}{\cos^3 z}
\, .
\end{displaymath} (20)

Dabei ist $R = 6371$ km der Erdradius. Die Extinktion ist in verschiedenen Zeitskalen (Minuten, Stunden, tages- und jahreszeitlich) veränderlich. Die kurzzeitigen Änderungen stellen eine zusätzliche Rauschquelle bei der Beobachtung dar. Sie können in den Farbenindizes durch die Benutzung eines Mehrkanalphotometers oder quasigleichzeitige Messungen mit einem rotierenden Filterrad erheblich reduziert werden. Änderungen im Verlauf einer Nacht müssen bei der Reduktion entsprechend berücksichtigt werden. Nimmt man an, daß die nächtliche Änderung der Extinktion langsam und isotrop erfolgt, kann man zu Gleichung (19) einen linearen Zeitterm hinzufügen [7].
\begin{displaymath}
m_{\rm s} - m_{\rm obs} = {L(\lambda _{\circ})
- k(\lambda _{\circ})X
+ D(\lambda _{\circ})t} \, ; {\rm [D, mag/h]}
\end{displaymath} (21)

$D(\lambda _{\circ})$ wird als Driftkoeffizient bezeichnet und in Größenklassen pro Stunde gemessen. Er kann je nach meteorologischen Bedingungen 0,001 bis 0,100 mag/h betragen.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29