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11.2.1 Koordinatensysteme auf der Sonnenscheibe

Zur visuellen Beobachtung von Sonnenflecken ist die Projektionsmethode am geeignetsten. Dabei wird das von Objektiv erzeugte Zwischenbild durch das Okular auf einen Schirm projiziert, wobei die Scharfeinstellung mit Hilfe der am Teleskop vorhandenen Fokussiereinrichtung vorgenommen wird. Der lineare Durchmesser $B'$ (Bildgröße) des Sonnenbildes ergibt sich zu
\begin{displaymath}
B' \ = \ B \ \frac{(b' - f_{\rm Ok})}{f_{\rm Ok}} \ = \
G ...
...\
0,0093 \ \frac{f_{\rm Ob}}{f_{\rm Ok}} \ (b'- f_{\rm Ok}).
\end{displaymath} (2)

In Beziehung (2) bedeuten:


$G$      : Durchmesser der Sonne (Gegenstandsgröße), 

$B$ : Durchmesser des vom Objektiv erzeugten Brennpunktbildes der Sonne,
$f_{\rm Ob}$ : Brennweite des Objektivs,
$f_{\rm Ok}$ : Brennweite des Okulars,
$g$ : Abstand Erde-Sonne (Gegenstandsweite),
$b'$ : Abstand Okular-Projektionsschirm.
Zur Dokumentation und Klassifikation der Sonnenflecken zeichnet man diese am besten auf eine am Projektionsschirm befestigte Schablone, auf der die Größe des projizierten Sonnenbildes angegeben ist. Zur Orientierung des Sonnenbildes ist es zweckmäßig, die Himmelsrichtungen auf der Schablone anzugeben (s. Abb. 1 links). Dazu markiert man sich den Weg eines kleinen Sonnenflecks auf der Schablone bei unbewegtem Fernrohr. Den Nordrand der Sonnenscheibe kann man dadurch bestimmen, daß man das Fernrohr mit der Feinbewegung in Richtung Norden bewegt. Der zuletzt vom Bildschirm verschwindende Rand ist der Nordrand der Sonne. Mit Hilfe der auf der Schablone markierten Himmelsrichtungen und des in Jahrbüchern für jeden Tag angegebenen Positionswinkels kann man schließlich auch die Lage der Rotationsachse der Sonne auf der Schablone einzeichnen. Dabei ist zu beachten, daß der Positionswinkel $P$ vom Nordpunkt der Sonnenscheibe in Richtung Osten gezählt wird (Abb. 1).


Die Position der Flecken kann entweder in kartesischen Koordinaten ($X, Y$) oder Polarkoordinaten ( $\rho, \vartheta$) angegeben werden. $X, Y, \rho \
{\rm und} \ \vartheta$ sind Meßgrößen mit folgender Bedeutung:


$X$     : senkrechter Abstand der Fleckengruppenmitte vom Zentralmeridian
auf der Sonnenscheibe, 

$Y$ : senkrechter Abstand der Fleckengruppe vom projizierten Sonnenäquator,
$R$ : Radius des projizierten Sonnenbildes
Zwischen $X$ und $Y$ sowie $\rho$ und $\vartheta$ bestehen die Beziehungen
\begin{displaymath}
\rho \ = \ \sqrt{X^2 + Y^2} \qquad {\rm und} \qquad \vartheta \ = \ \arctan
\frac{Y}{X} .
\end{displaymath} (3)

Die für die Klassifizierung teilweise notwendige Bestimmung der Ost-West-Ausdehnung einer Flek-kckengruppe läßt sich aus der auf der Projektionsschablone gemessenen projizierten linearen Ausdehnung $d$ parallel zum Sonnenäquator (siehe Abb. 2) und den Meßgrößen bestimmen.


Die tatsächliche lineare Ost-West-Ausdehnung $l$ auf der Sonnenoberfläche ergibt sich aus
\begin{displaymath}
{l} \ = \ \frac{R_{\odot} \ \cdot \ d}{R \ \sqrt{1 \ - \ \frac{{X}^2}{R^2 - Y^2}}},
\end{displaymath} (4)

wobei $R_{\odot}$ der wahre Sonnenradius ist. Die gesuchte Winkelausdehnung $\lambda$ [$^{\circ}$] der Fleckengruppe (bezogen auf die Rotationsachse der Sonne) läßt sich durch
\begin{displaymath}
\lambda \ = \ 360^{\circ} \frac{l}{2 \pi R_{\odot} \cos B} ...
...\circ}}{2 \pi} \frac{d}{\sqrt{R^2 - X^2 -Y^2}} \ \ [^{\circ}]
\end{displaymath} (5)

berechnen. In der Beziehung bedeutet $B$ die heliographische Breite der Fleckengruppe (s. Abb. 4), deren Zahlenwerte ebenfalls astronomischen Jahrbüchern entnommen werden können. Die hier gegebene Darstellung des Sachverhaltes beruht auf der vereinfachenden Annahme, daß der projizierte Sonnenäquator immer durch die Mitte der sichtbaren Sonnenscheibe geht. Dies ist aber, wie Abb. 1 zeigt, nicht immer der Fall. Die maximale Abweichung beträgt 7,2$^{\circ}$. Selbstverständlich läßt sich die tatsächliche lineare Ausdehnung von Einzelflecken in analoger Weise berechnen. Die international gebräuchliche Züricher Klassifikationsskala der Sonnenflecken umfaßt 9 Klassen, die durch die Buchstaben A bis I gekennzeichnet werden. Abb. 3 gibt jeweils drei Beispiele zu jeder Klasse. Die zeitliche Entwicklung einer Sonnenfleckengruppe kann grob dem Schema der Abb. 3 entnommen werden. Nach der Bildung eines kleinen Fleckes aus einer Pore setzt die zeitliche Weiterentwicklung ein, bei der der Einzelfleck bzw. die Fleckengruppe unterschiedlich viele Stadien in Abb. 3 durchläuft. Eine kleine Gruppe erreicht nur die Klasse A oder entwickelt sich längs der Folge A-B-A, eine mittlere längs A-B-C-B-A oder längs A-B-C-D-C-B-A. Bei sehr großen Gruppen wird die gesamte Folge von A bis J durchlaufen, wobei zum Schluß der Zustand der Klasse A immer noch einmal erreicht wird. Eine verbale Beschreibung der charakteristischen Merkmale der einzelnen Klassen enthält Tab. 1.



Tabelle 1: Klassifikationsschema der Sonnenflecken
Klasse Merkmal
A Einzelner Fleck ohne Penumbra oder Gruppe von Flecken ohne Penumbra und ohne bipolare Struktur
   
B Gruppe von Flecken ohne Penumbra in bipolarer Anordnung
   
C Bipolare Fleckengruppe, von der ein Hauptfleck von einem Penumbra umgeben ist
   
D Bipolare Gruppe, deren Hauptflecken eine Penumbra besitzen; mindestens einer der beiden Hauptflecken weist eine einfache Struktur auf; Ost-West-Ausdehnung der Gruppe $< 10^{\circ}$
   
E Große bipolare Gruppe; beide von einer Penumbra umgebenen Hauptflecken zeigen eine komplizierte Struktur; zahlreiche kleinere Flecken; Ost-West-Ausdehnung der Gruppe mindestens 10$^{\circ}$
   
F Sehr große bipolare oder komplexe Sonnenfleckengruppe mit einer Ost-West-Ausdehnung von mindestens 15$^{\circ}$
   
G Große bipolare Gruppe ohne kleinere Flecken zwischen den beiden Hauptflecken; Ost-West-Ausdehnung mindestens 10$^{\circ}$
   
H Unipolarer Fleck mit Penumbra Durchmesser $> 2,5^{\circ}$
   
J Unipolarer Fleck mit Penumbra Durchmesser $< 2,5^{\circ}$


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Juergen Weiprecht 2002-10-29