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13.1.4 Reduktion der Beobachtungen

Die sphärischen Koordinaten $\alpha$ und $\delta$ eines Himmelskörpers lassen sich am einfachsten durch direkten Anschluß an benachbarte Fixsterne ableiten. Das kann entweder durch mikrometrische Messung am Fernrohr erfolgen oder aber in den meisten Fällen durch das Ausmessen photographischer Himmelsaufnahmen. Die Reduktion der gemessenen Plattenkoordinaten wird unter 1.5. weiter unten beschrieben. Eine ausführliche Beschreibung findet man in [4]. Liegen die Örter der Vergleichssterne und des Meßobjekts genügend nahe beieinander, ändern Aberration, Nutation und Präzession die Koordinaten aller Himmelskörper in gleicher Weise, so daß differentielle Effekte vernachlässigt werden können. Bei der Ermittlung von Plattenkoordinaten ist es zweckmäßig, das mittlere Normaläquinoktium von 1950,00 oder 2000,00 zu verwenden, da hierfür mit dem SAO- bzw. dem PPM-Katalog genaue Sternpositionen vorliegen. Da sich die in Frage kommenden Objekte im allgemeinen in der Nähe der Ekliptik aufhalten werden, ist dagegen der Einfluß der differentiellen Refraktion in unseren Breiten nicht zu vernachlässigen. Sie ist an die Örter aller Vergleichssterne z.B. nach den Formeln in MUCKE [5] anzubringen. Aus den so ermittelten sphärischen Koordinaten $\alpha_{\rm i}$ und $\delta _{\rm i}$ des Objekts für das Äquinoktium 1950,00 erhält man mit
\begin{displaymath}
{\bf e}_{\rm i} =
\left( \begin{array}{c}
e_{\rm x,i} \\ ...
...
\sin \delta _{\rm i} \\
\end{array} \right), (i = 1, 2, 3)
\end{displaymath} (30)

die topozentrischen Einheitsvektoren ${\bf e}_{\rm i}$ in Richtung des Himmelskörpers zu den Zeiten $t_{\rm i}$. Als nächstes hat man sich die topozentrischen Sonnenkoordinaten, bezogen auf das verwendete Normaläquinoktium, zu verschaffen. Die entsprechenden geozentrischen rechtwinkligen Sonnenkoordinaten findet man durch Interpolation aus den Daten eines Jahrbuchs oder mit Hilfe einer aus der Störungstheorie abgeleiteten trigonometrischen Reihenentwicklung (siehe auch [6]). Das Programm, das Sie im Praktikum verwenden, benutzt die BRETAGNONsche Theorie VSOP87 [7] zur Berechnung der Sonnenkoordinaten [7]. Dabei ergibt sich eine Genauigkeit von $10^{-9}\,A$ im Radiusvektor und $0,005''$  in den Winkelkoordinaten im Zeitraum zwischen 1900 bis 2100. Den heliozentrischen Ortsvektor des Beobachtungsortes ${\bf E}_{\rm i}$ erhält man hieraus durch Anbringen der Korrekturen $\Delta X_{\rm i}, \Delta Y_{\rm i}$ und $\Delta Z_{\rm i}$ an den geozentrischen Ortsvektor der Sonne $(X_{\rm i}; Y_{\rm i}; Z_{\rm i})$:
\begin{displaymath}
-{\bf E}_{\rm i} =
\left( \begin{array}{c}
-E_{\rm x,i} \...
..._{\rm i} & - & \Delta Z_{\rm i} \\
\end{array} \right) \, .
\end{displaymath} (31)

Die Korrekturen ergeben sich in ausreichender Genauigkeit zu:
$\displaystyle \Delta X_{\rm i}$ $\textstyle =$ $\displaystyle R\, \cdot \, \cos \varphi \cos \vartheta _{\rm i} ,$  
$\displaystyle \Delta Y_{\rm i}$ $\textstyle =$ $\displaystyle R\, \cdot \, \cos \varphi \sin \vartheta _{\rm i} ,$  
$\displaystyle \Delta Z_{\rm i}$ $\textstyle =$ $\displaystyle R\, \cdot \, \sin \varphi \, ,$ (32)

wobei $R$ der Erdradius, $\varphi$ die geographische Breite des Beobachtungsortes und $\vartheta _{\rm i}$ die Sternzeit im Augenblick der Beobachtung $(t_{\rm i})$ bedeuten. Für die Auswertung im Praktikum sind die geographischen Koordinaten verschiedener Beobachtungsorte unter Kennummern abgespeichert. Eine letzte Korrektur ist schließlich wegen der endlichen Geschwindigkeit des Lichtes notwendig. Auf Grund dieser Tatsache erblickt der Beobachter das Objekt zum Beobachtungszeitpunkt $t_{\rm i}$ dort, wo es sich zu einer etwas früheren Zeit $t_{\rm i} - \Delta t_{\rm i}$ befunden hat. Die Lichtzeit $\Delta t_{\rm i} = d_{\rm i}/c$ hängt jedoch von der noch unbekannten Entfernung $d_{\rm i}$ ab. Da $1/c$ aber eine sehr kleine Größe ist und nur differentielle Effekte $\Delta d_i/c$ eine Verzerrung der Bahnelemente bewirken können, darf man die Lichtzeitkorrektur $\Delta t_{\rm i}$ zu Beginn der Hypothesenrechnung unbedenklich vernachlässigen, um sie dann bei der letzten Iteration, wenn $d_{\rm i}$ genügend genau berechnet ist, zu berücksichtigen.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29