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17.1.3 Die interstellare Extinktion und der Farbexzeß

Die oben gemachte Annahme, daß der Raum zwischen den Sternen völlig leer ist, gilt natürlich nicht streng. Vielmehr wird der interstellare Raum von Teilchen in der Größenordnung der Lichtwellenlänge bevölkert, die eine Absorption und Streuung (siehe auch Aufgabe 8) der Strahlung bewirken. Diese interstellare Extinktion ist stark wellenlängenabhängig und zwischen 300 nm und 1000 nm proportional zu $\lambda^{-1}$. Die Strahlung der Intensität $I = \omega r^2\cdot S$ erleidet auf einem Wegelement ${\rm d}r$ die Abschwächung ${\rm d}I$ (siehe Abb. 2):
\begin{displaymath}
{\rm d}I(\lambda) = -\kappa(\lambda)\cdot I(\lambda){\rm d}r \, .
\end{displaymath} (5)

Der Proportionalitätsfaktor $\kappa(\lambda)$, der Extinktionskoeffizient pro Längeneinheit $[{\rm m^{-1}}]$, ist eine Materialkonstante. Bezeichnen wir mit $I_0(\lambda)$ die Intensität an der Sternoberfläche und mit $I_r(\lambda)$ die in der Entfernung $r$, so erhalten wir nach der Integration auf beiden Seiten:
\begin{displaymath}
I_r(\lambda) = I_0(\lambda) \cdot e^{-\tau (\lambda)} \ {\r...
...(\lambda) = \int \limits_{0}^{r} \kappa(\lambda){\rm d}r \, .
\end{displaymath} (6)

Man bezeichnet $\tau$ als die optische Dicke der durchstrahlten Schicht. Für $\tau = 1$ ergibt sich eine Schwächung des Lichts um den Faktor $1/e$. Ist $\tau \gg 1$ wird die Schicht als optisch dick, im Fall, daß $\tau \ll 1$ ist, als optisch dünn bezeichnet.


Abbildung 2: Abschwächung der Strahlung in einen festen Raumwinkel w durch die interstellare Extinktion.

Für den Entfernungsmodul unter Berücksichtigung der interstellaren Extinktion ergibt sich mit Gleichung (6):
$\displaystyle m_V(r) - m_V(10)$ $\textstyle =$ $\displaystyle -2,5\log \left( \frac{S(r)}{S(10)} \right)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle -2,5\log \left( \frac{10^2}{r^2}\right) -2,5\log e^{-\tau}$  
$\displaystyle m_V - M_V$ $\textstyle =$ $\displaystyle 5 \log r - 5 + A_V \, .$ (7)

$A_V$ ist die Extinktion in Größenklassen, die von den interstellaren Staubteilchen in der Sichtlinie zwischen Stern und Beobachter hervorgerufen wird. Da, wie wir oben gesehen haben, die Extinktion wellenlängenabhängig ist $(A \sim \lambda^{-1})$, tritt als zusätzlicher Effekt eine Verrötung des Sternlichts ein. Rotes Licht wird weniger stark gestreut als blaues, so daß sich der Energieschwerpunkt der Strahlung zu längeren Wellenlängen hin verschiebt. Damit wird auch jeder Farbenindex, der sich in einem beliebigen photometrischen System bilden läßt, zahlenmäßig größer. Wir betrachten dazu als ein Beispiel den Farbenindex $(B-V)$ im $UBV$-System. Entsprechend Gleichung (7) können wir für die $B$-Helligkeit schreiben:
\begin{displaymath}
m_B - M_B = 5 \log r - 5 + A_B \, .
\end{displaymath} (8)

Subtrahieren wir Gleichung (7) von (8) so ergibt sich:
\begin{displaymath}
m_B - m_V = M_B - M_V + A_B - A_V \, .
\end{displaymath} (9)

Die linke Seite entspricht dem beobachteten Farbenindex des Sterns. Dieser spaltet sich rechts in die Eigenfarbe des Sterns - die Differenz der absoluten Helligkeiten - und den Farbexzeß, die Differenz der Extinktionen, auf. In der astronomischen Photometrie schreibt man Gleichung (8) in der folgenden Form auf:
\begin{displaymath}
(B - V) = (B - V)_{\circ} + E(B - V) \, .
\end{displaymath} (10)

Dabei ist $(B - V)_{\circ}$ die Eigenfarbe und $E(B - V)$ der Farbexzeß. In einem Zwei-Farben-Diagramm bewegt sich also ein Stern infolge der interstellaren Verfärbung nach rechts unten, weg von dem Platz, den er durch seine Eigenfarben (seinem Spektraltyp entsprechend) einnehmen würde. In Tabelle 1 sind die Eigenfarben und die absolute Helligkeiten für Hauptreihensterne nach [6] für das $UBV$-System aufgelistet. Es handelt sich um Mittelwerte für Sterne mit bekannter Entfernung. Der Verfärbungsweg eines Sterns ist in Abb. 3 dargestellt. Das Verhältnis von visueller Extinktion und Farbexzeß ist in unserer Galaxis relativ konstant und beträgt im Mittel:
\begin{displaymath}
R = \frac{A_ V}{E(B - V)} = 3,1 \, .
\end{displaymath} (11)

Hat man den Farbexzeß bestimmt, kennt man die Extinktion und kann nach Gleichung (7) die Entfernung eines Sterns direkt berechnen.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29