Next: Versuchsanleitung
Up: Argelandersche Stufenschätzungen
Previous: Lichtelektrische Photometrie
  Contents
Die von ARGELANDER für das Schätzen von
Sternhelligkeiten entwickelte Methode läßt sich ohne
Schwierigkeiten auf das Schätzen von Schwärzungen auf Photoplatten
übertragen. Das Prinzip besteht im Erkennen von möglichst geringen
Helligkeits- bzw. Schwärzungsunterschieden. Sie werden quantitativ nach
einer Gedächtnisskala in Stufen ausgedrückt. Sie haben folgende Bedeutung:
- 0. Stufe:
- Beide Sterne erscheinen gleich hell, oder abwechselnd der
eine oder der andere Stern
etwas heller.
- 1. Stufe:
- Beide Sterne erscheinen auf den ersten Blick gleich hell.
Bei aufmerksamer Betrachtung
erscheint jedoch mit wenigen Ausnahmen einer
der beiden gerade merkbar heller
als der andere.
- 2. Stufe:
- Wie bei 1. aber der eine Stern erscheint stets und
unzweifelhaft heller als der andere.
- 3. Stufe:
- Ein Stern erscheint auf den ersten Blick bereits heller
als der andere.
- 4. Stufe:
- Ein Stern ist wesentlich heller als der andere.
Nach ARGELANDER schreibt man das Ergebnis der Schätzung in folgender
Weise:
Bezeichnung für den helleren Stern, Anzahl der Stufen , Bezeichnung
für den schwächeren Stern. (Beispiel: a 3 b, d.h. der Stern a ist um
drei Stufen heller als der Stern b.) Bei der Schätzung der unbekannten
Helligkeit eines Sterns, z.B. eines Veränderlichen V, vergleicht man
grundsätzlich diesen mit jeweils einem helleren und einem schwächeren Stern
und schreibt dann
etwa a V b, wobei und die Stufen angeben.
Die Helligkeit des Veränderlichen ergibt sich dann aus den Beziehungen
(Beispiel:
a 3 V 2 b bedeutet, daß der Veränderliche um
|
(6) |
der bekannten Helligkeitsdifferenz zwischen Stern a und b schwächer
ist als Stern a.).
Der Vorteil der ARGELANDERschen Methode beruht neben ihrer Einfachheit
mit
darauf, daß sich die Stufenhöhe bei geübten Beobachtern als eine persönliche
Konstante zwischen 0,1 mag und 0,07 mag erweist. Durch die Einpassung der
unbekannten Helligkeit eines Sterns zwischen zwei bekannten Helligkeiten in
der Form a V b erreicht man zusätzlich, daß das Schätzergebnis
unabhängig von der individuellen Stufenhöhe wird.
Mit der inzwischen breiten Verfügbarkeit elektronischer Sternkataloge auch
für Sterne geringer Helligkeiten wird es heutzutage möglich, eine wesentlich
größere Zahl von Sternen in der Umgebung eines Veränderlichen als
Vergleichssterne zu nutzen. Dadurch kann eine viel dichtere Skala von
Vergleichshelligkeiten genutzt werden, wodurch die Genauigkeit der
Helligkeitsbestimmung für den Veränderlichen deutlich verbessert wird.
Allerdings sind viele dieser Sternkataloge noch in der Entwicklung bzw.
wurden automatisch erstellt, so daß die photometrischen Daten oft noch
fehlerbehaftet sind. Um Fehler in den Kataloghelligkeiten einzelner
Vergleichssterne ausgleichen und korrigieren zu können, sollten deshalb
nicht nur zwei Vergleichssterne verwendet werden, um die Helligkeit des
Veränderlichen einzugrenzen a V b, sondern nach Möglichkeit vier
Vergleichssterne a b V c d. Mit dieser erweiteren
ARGELANDERschen Stufenschätzmethode wird es möglich, Katalogfehler
zu erkennen und den Katalog mit Hilfe der Schätzungen nach und nach zu
verbessern.
Die Auswertung der
Beobachtung erfolgt am günstigsten graphisch. Sind zur Helligkeitsbestimmung
eines Sterns Vergleichssterne (im allg. = 4 oder 5) verwendet worden,
mit
, dann werden jeweils für einen
Beobachtungsabend die gemittelten Stufen für die Helligkeitsdifferenzen
berechnet. Weist man dem
hellsten Stern, a, die Stufe (a) = 0 zu, so erhält man durch Addition der
entsprechenden Stufendifferenzen die Stufenwerte der übrigen Vergleichssterne.
Trägt man diese Stufenwerte über den zugehörigen scheinbaren Helligkeiten
graphisch auf und zeichnet die ausgleichende Gerade ein, so definiert diese
die Beziehung zwischen der persönlichen Stufenwertskala und der astronomischen
Größenklassenskala. Die gesuchte Helligkeit des unbekannten Sterns
(Veränderlichen) läßt sich damit auch graphisch ermitteln. Die in Abb. 3.
dargestellte Beziehung zwischen den Vergleichssternhelligkeiten und
Stufenwerten verwendet die in Tabelle 1 als Beispiel enthaltenen Daten.
Tabelle 1: Beispiel für die Bestimmung des persönlichen Stufenwertes
Vergleichssterne |
Helligkeiten |
Differenzen der |
Mittelwert |
Summe der |
|
|
Helligkeiten |
der Stufen |
Stufen |
|
|
|
|
|
a |
11,61 |
|
|
0 |
b |
12,13 |
0,52 |
3,4 |
3,4 |
c |
12,44 |
0,31 |
2,8 |
6,2 |
d |
13,07 |
0,63 |
4,1 |
10,3 |
e |
13,26 |
0,19 |
1,6 |
11,9 |
Sollte der Veränderliche während eines Minimums nur mit einem
helleren Vergleichsstern geschätzt werdenkönnen, so läßt sich bei Kenntnis
der individuellen Stufenhöhe trotzdem seine Helligkeit berechnen.
Bei der Anwendung der ARGELANDERschen Stufenschätzmethode können
insbesondere bei Helligkeitsschätzungen am Teleskop verschiedenartige
Fehlerquellen auftreten. Im einzelnen handelt es sich um:
- a)
- Zenitdistanzfehler: Die Genauigkeit eines
Helligkeitsvergleiches sinkt wegen Ermüdungserscheinungen
bei angespannter Körperhaltung beträchtlich ab; dies trifft vor allem
bei kleinen Zenitdistanzen der Sterne zu.
- b)
- Positionswinkelfehler: Durch die unterschiedliche
Empfindlichkeit der Netzhaut wird die Helligkeitsdifferenz zweier Sterne
je nach ihrer relativen Position im Gesichtsfeld unterschiedlich
eingeschätzt. Zur Reduktion dieses Fehlers sollte man die zu schätzenden
Sterne jeweils an die gleiche Stelle des Gesichtsfeldes bringen und jeden
Stern einzeln mit dem Auge fixieren.
- c)
- Intervallfehler: Die Genauigkeit eines
Helligkeitsvergleiches verringert sich mit zunehmender Differenz der zu
vergleichenden Sternhelligkeiten. Dieser Fehler läßt sich nachträglich
korrigieren, indem man den einzelnen Vergleichen der Helligkeitsdifferenz
entsprechende Gewichte zuteilt.
- d)
- Distanzfehler: Mit wachsendem Abstand der zu
vergleichenden Sterne wächst die Ungenauigkeit.
- e)
- Umfeldfehler: Die Helligkeit eines Sterns wird zu
schwach geschätzt, wenn er sich in der Nachbarschaft eines helleren
befindet oder wenn der Himmelshintergrund durch Mond- oder Streulicht
aufgehellt ist.
- f)
- Farbfehler: Sterne mit großem positiven Farbindex, also
rote Sterne, werden in der Dämmerung oder bei mondhellem Himmel vielfach zu
hell geschätzt, was auf die stärkere Beteiligung der farbempfindlichen
Zäpfchen in der Netzhaut zurückzuführen ist.
Next: Versuchsanleitung
Up: Argelandersche Stufenschätzungen
Previous: Lichtelektrische Photometrie
  Contents
Juergen Weiprecht
2002-10-29