Für visuelle Doppelsternbeobachtungen haben sich parallaktisch montierte
Refraktoren mit möglichst großer Brennweite und damit großem
Winkelabstand der Beugungsscheibchen der Komponenten eines vorgegebenen
Doppelsterns in der Brennebene sowie mit möglichst großer Öffnung und
damit hohem Auflösungsvermögen der Optik als am geeignetsten herausgestellt.
Die zu bestimmenden
Meßgrößen sind der Winkelabstand ( in Bogensekunden) der beiden
Komponenten sowie der Positionswinkel (in Grad), gemessen in
bezug auf den Stundenkreis durch den Hauptstern von Nord über Ost, Süd und
West von 0 bis 360 (siehe Abb. 5).
Abb. 5: Messung von Positionswinkel und Distanz eines Doppelsterns. Anblick im umkehrenden Fernrohr.
Die absolute Position des Begleiters (B) im Äquatorsystem berechnet sich
aus den relativen Koordinaten bezüglich der Hauptkomponente (A) wie folgt:
(5)
Die Beobachtungen erfordern große Sorgfalt, da vielfach die zufälligen
Meßfehler in der gleichen Größenordnung wie die zu bestimmenden
Meßgrößen
liegen. Die Erfahrungen zeigen, daß die Beobachtungsgenauigkeit
im wesentlichen von drei Eigenschaften des
Doppelsterns selbst beeinflußt wird:
a)
Winkelabstand der beiden Komponenten
Die Zuverlässigkeit der Messungen sinkt mit abnehmendem Winkelabstand
. Als untere Grenze des Auflösungsvermögens (in Bogensekunden)
eines Fernrohres mit der Objektivöffnung (in cm) ergibt sich aus
theoretischen Überlegungen für visuelle Beobachtungen:
(6)
Dabei ist angenommen, daß das Hauptmaximum des Beugungsscheibchens
einer Komponente mit dem ersten Beugungsminimum der anderen Komponente
zusammenfällt. Sehr erfahrene Doppelsternbeobachter erreichen bei
genügender scheinbarer Helligkeit und bei gleich hellen Komponenten unter
guten Beobachtungsbedingungen ein Auflösungsvermögen von:
(7)
Sie gilt für Instrumente mit einem Öffnungsverhältnis
).
Dabei liegt das Hauptmaximum des Beugungsscheibchens der einen
Komponente noch innerhalb des ersten dunklen Ringes des Beugungsscheibchens
der anderen Komponente. Für weniger geübte Beobachter mit kleinen Instrumenten
empfiehlt es sich, nur Sternpaare mit einem Winkelabstand
zu vermessen.
Dieser durch die Beugung am Objektiv bedingte Grenzwinkel muß durch
das Okular des Fernrohrs in eine für das menschliche Auge wahrnehmbare
Größe umgewandelt werden. Das menschliche Auge kann zwei Punkte noch
auflösen wenn sie mindestens einen Winkelabstand von haben. Um die
theoretische Auflösung zu erreichen, muß also eine Mindestvergrößerung
angewendet werden, so daß gilt:
(8)
Daraus folgt, daß
sein muß.
b)
Helligkeitsdifferenz der beiden Komponenten
Das tatsächlich erreichte Auflösungsvermögen
ist
noch von der Differenz (in mag) der scheinbaren Helligkeiten der
beiden Komponenten anhängig. Als empirische Näherungsformel kann man ansetzen:
(9)
c)
Scheinbare Helligkeit der Komponenten
Ist die scheinbare Helligkeit der Doppelsternkomponenten nahe der visuellen
Grenzhelligkeit des Instrumentes, so ergibt sich ein wesentlich größerer
mittlerer Meßfehler als bei helleren Sternen. Die Erfahrung zeigt, daß für
eine genaue Vermessung die scheinbare Helligkeit der Komponenten mindestens
3 mag über der visuellen Grenzhelligkeit des benutzten Fernrohrs liegen
sollte.
Außer von den eben genannten Faktoren wird die Genauigkeit entscheidend
durch das Seeing beeinflußt. Die Lufthülle der Erde
befindet sich niemals vollständig in Ruhe, sondern immer in turbulenter
Bewegung. Die Turbulenzelemente, Luftblasen unterschiedlicher Temperatur
und Dichte mit einer Größe zwischen 10 und 15 cm, verursachen durch ihre
ständige Bewegung eine dauernde Variation des Brechungsindex der Luft.
Dadurch erleidet der vom Stern kommende Lichtstrahl eine ständig
wechselnde kleine Ablenkung. In einem Teleskop mit einer Öffnung kleiner
oder gleich der Größe der Turbulenzelemente schwankt das Sternscheibchen dann
zwischen und um eine mittlere Lage.
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Juergen Weiprecht
2002-10-29