Als Meßeinrichtung zur visuellen Bestimmung des Winkelabstandes und des
Positionswinkels benutzt man im allgemeinen ein Fadenkreuzmikrometer mit
Positionskreis. Es besteht aus einem Rahmen, der in der Brennebene des
Objektivs senkrecht auf der optischen Achse steht. In ihm ist ein mittels
einer Meßschraube beweglicher Schlitten angeordnet, der mindestens einen
zur Schlittenbewegung parallelen Faden c trägt. Auf dem Rahmen selbst sind
mehrere Fäden a senkrecht zur Schlittenbewegung befestigt, siehe Abb. 6.
Das gesamte Mikrometer läßt sich um die optische Achse des Fernrohrs drehen.
Der Drehwinkel wird am Positionskreis abgelesen, der mit dem Okularauszug
fest verbunden ist. Als Vergrößerung man meist die stärkste, die
Fernrohr und Luftunruhe zulassen. Eine zu starke Vergrößerung beeinträchtigt
jedoch die Beobachtung lichtschwacher Sterne.
Abb. 6: Schema des Schlittens eines Fadenkreuzmikrometers; a ein fester, b ein beweglicher, c ein zur Schlittenführung paralleler Faden.
Zur Bestimmung des Nullpunktes des Positionswinkels dreht man das Mikrometer
so, daß ein äquatornaher Stern in der Nähe des Meridians bei unbewegtem
Fernrohr genau auf dem Faden c entlang läuft. Damit ist die Ost-West-Richtung
festgelegt.
Beim eigentlichen Meßvorgang hat sich folgendes Verfahren bewährt:
Der Faden c (Abb. 6) wird auf die Verbindungslinie der beiden Sterne so
eingestellt, daß er die beiden Beugungsscheibchen jeweils halbiert, und
danach der Positionswinkel abgelesen. Die Einstellung kann dadurch
kontrolliert werden, daß man durch leichten Druck gegen das Fernrohr
- in Richtung der Nachführung bzw. entgegengesetzt - die beiden
Sternbildchen jeweils gleichzeitig auf eine Seite des Fadens bringt.
Danach stellt man einen festen Faden a auf die eine Komponente ein
(Halbierung des Beugungsscheibchens), einen beweglichen Faden b auf die
andere und liest die Stellung der Meßschraube ab. Anschließend bringt man
mit Hilfe der Fernrohrfeinbewegung den festen Faden a auf die andere
Komponente und den Faden b mittels der Meßschraube auf die erste. Die
Differenz beider Ablesungen entspricht dem doppelten Winkelabstand der
beiden Sterne. Die Vorteile dieses Verfahrens sind, daß die Meßfehler
geringer werden und daß ein Nullpunktsfehler, der bei der Koinzidenz beider
Fäden auftreten kann, gänzlich unterdrückt wird.
Zur Umwandlung der Differenz der an der Meßschraube abgelesenen Skalenwerte
in eine Angabe mit der Einheit Winkelmaß, muß der Schraubenwert des
Mikrometers - das ist der Winkelbetrag der Fadenbewegung bei einer
Schraubenumdrehung - bestimmt werden. Dazu dreht man die Meßschraube jeweils
um 360 und bestimmt mittels Stoppuhr die Differenzen
der Durchgangszeiten
und eines Sterns höherer Deklination
(
)
bei ausgeschalteter Nachführung des Fernrohrs, durch den festen Faden a
und den beweglichen Faden b. Dabei bedeutet die
Zahl der Schraubenumdrehungen gegenüber der Ausgangsstellung (a und b liegen
übereinander). Der Schraubenwert ergibt sich dann zu
(10)
Den Winkel in Bogensekunden, der Umdrehungen der Meßschraube
entspricht, erhält man durch Umwandlung der Zeitdifferenz - gemessen
in mittleren Sonnenzeitsekunden - in Winkelmaß:
(11)
Der Faktor wandelt die Sonnenzeit in Sternzeit um, während
Zeitmaß in Gradmaß umwandelt. Da ein Stern der
Deklination bei seiner täglichen Bewegung keinen Großkreis
beschreibt, muß das Ergebnis noch mit multipliziert werden.
Um einen möglichen Nullpunktsfehler auszuschließen, mißt man besser
die Differenz zwischen zwei beliebigen Stellungen der Fäden a und b