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1.3.5 Grenzhelligkeit

Bei visuellen Beobachtungen bezeichnet man die scheinbare Helligkeit der lichtschwächsten, gerade noch erkennbaren Sterne als Grenzhelligkeit. Der Reichweitengewinn $\Delta m$ (in mag) bei der Beobachtung punktförmiger Lichtquellen mit einem Teleskop ergibt sich aus der Objektivöffnung $D$ und dem Durchmesser $d_{\rm A}$ der Augenpupille auf Grund der Beziehung zwischen dem Verhältnis der Strahlungsströme und der astronomischen Größenklassendefinition (siehe Aufgabe) zu
\begin{displaymath}
\Delta m \, = \, m_{\rm Tele} - m_{\rm A} \, = \, - 2,5 \lg \,
(d_{\rm A}^{2} / D^2)
\end{displaymath} (10)

($m_{\rm A}$ bzw. $m_{\rm Tele}$: scheinbare Helligkeit bei Beobachtung mit bloßem Auge bzw. mit Fernrohr). Mit $d_{\rm A}$ = 6 mm und $D$ in mm erhält man
\begin{displaymath}
\Delta m \, = \, 5 \lg D - 3,9 \ ; \qquad [D/{\rm mm}].
\end{displaymath} (11)

Lichtverluste in der Optik, ein nachgewiesener Einfluß der Vergrößerung und der Einfluß der Hintergrundhelligkeit auf die Grenzhelligkeit sind dabei vernachlässigt. Das Auge empfindet die empfangene Strahlungsleistung ungeschwächt, auch wenn infolge nichtpunktförmiger Abbildung nicht nur eins, sondern einige wenige Netzhautelemente getroffen werden. Für die Messung schwacher Lichtquellen spielt der vom Empfänger aufgenommene Strahlungsstrom $S_2$ in J m$^{-2}$ s$^{-1}$ eine große Rolle. Dabei ist $S_2$ proportional der Objektivöffnung und umgekehrt proportional der Fläche des Bildes, auf die das gesammelte Licht verteilt wird:
\begin{displaymath}
S_2 \, \approx \, D^2 / l^2 .
\end{displaymath} (12)

Das "`Bild"' einer Punktlichtquelle ist das Beugungsscheibchen, dessen linearer Durchmesser $l \, = \, f_{\rm obj} \tilde \alpha \, \sim \,
f_{\rm obj} / D$ (bei fester Wellenlänge) ist, so daß man also in diesem Falle
\begin{displaymath}
S_{\rm 2,P} \, \sim \, \left( \frac{D}{f_{\rm obj}} \right) ^2 \, \cdot \, D^2
\end{displaymath} (13)

erhält. Bei einer Flächenlichtquelle mit einem Winkeldurchmesser $\omega_1$ ist die Bildgröße durch $f \, = \, f_{\rm obj} \, \cdot \,
\sin \omega_1$ gegeben, so daß sich für den Strahlungsstrom am Empfänger
\begin{displaymath}
S_{\rm 2,F} \, \sim \, \left( \frac{D}{f_{\rm obj}} \right) ^2
\end{displaymath} (14)

ergibt. Er hängt also nur vom Öffnungsverhältnis ($D/f_{\rm obj}$) des Fernrohrs ab. Zum Nachweis schwacher Flächenhelligkeiten benötigt man daher ein möglichst großes Öffnungsverhältnis, zum Nachweis schwacher Punkthelligkeiten hingegen eine möglichst große Öffnung $D$. Die Grenzhelligkeit hängt aber auch ab von der Eigenschaft des Auges als Strahlungsempfänger, von der Helligkeit des Himmelshintergrundes und des Streulichts im Teleskop, von der Turbulenz in der Erdatmosphäre (Szintillation) und von den Lichtverlusten in der Erdatmosphäre und im Fernrohr. Da diese Einflüsse zum Teil größeren Schwankungen unterworfen sind, ist auch die tatsächliche Reichweite eines visuell genutzten Fernrohrs keine konstante Größe. Sie kann u.a. dadurch ermittelt werden, daß man ein Sternfeld durchmustert, für das eine durch eine Folge von Sternen bekannter scheinbarer Helligkeit festgelegte Helligkeitsskala existiert. Geeignet sind dafür die Polsequenz oder Sternhaufen, wie die Plejaden oder die Praesepe. Dabei ist zu beachten, daß die Augen eine unterschiedliche Empfindlichkeit für unterschiedliche Wellenlängen haben. Hinzu kommt, daß sich die spektrale Empfindlichkeit des Auges beim Nachtsehen von der beim Tagsehen unterscheidet; rote Objekte erscheinen nachts dunkler, blaue dagegen heller (Purkinje-Effekt). Sterne mit unterschiedlicher spektraler Intensitätsverteilung werden deshalb auch bei gleicher Maximalintensität als unterschiedlich hell empfunden. Die visuelle Grenzhelligkeit ist daher vom Spektraltyp der beobachteten Sterne abhängig. Die Tabelle 4 gibt einen Überblick über das Leistungsvermögen des menschlichen Auges.
Tabelle 4: Beleuchtungsstärke und Strahlungsstrom bei $\lambda = 513$ nm und einer Bandbreite von $\Delta \lambda = 0,1$ nm, bezogen auf eine Fläche von der Größe der menschlichen Pupille (Pupillendurchmesser zu 8 mm angenommen)
  Helligkeit Beleuchtungsstärke Strahlungsstrom
  [$^{\rm m}$] [cd m$^{-2}$] [Photonen pro s] [Watt]
Empfindlichkeits-        
schwelle des Auges 8,0 9,9 $\cdot 10^{-10}$ 96 $3,7 \cdot 10^{-17}$
Stern nullter Größe 0,0 2,0 $\cdot 10^{-6}$ $1,9 \cdot 10^{5}$ $7,4 \cdot 10^{-14}$
Mond -12,3 0,2 $1,7 \cdot 10^{10}$ $6,7 \cdot 10^{-9}$
Sonne -26,3 7,0 $\cdot 10^{4}$ $6,7 \cdot 10^{15}$ $2,6 \cdot 10^{-3}$

Anmerkung: Bei der Bestimmung der Empfindlichkeitsschwelle des Auges ist absolute
Dunkeladaption und keinerlei Hintergrundhelligkeit angenommen. Die
Größenklassenangabe entspricht einem Stern des Spektraltyps G2.


Um für die Auswertung brauchbare Ergebnisse zu erhalten, ist besonders auf die Dunkeladaption des Auges zu achten. Die Anpassungszeit von dunkel nach hell erfordert etwa drei Minuten, die von hell zu dunkel liegt hingegen in der Größenordnung von einer Stunde. Der erreichte Lichteindruck einer Punktquelle hängt auch von der Zeitdauer der Betrachtung ab. Die optimale Zeitdauer liegt bei etwa 0,1 s. Danach wird der Helligkeiteindruck wieder geringer. Es ist daher unzweckmäßig, bei visuellen Helligkeitsschätzungen den zu beurteilenden Stern lange zu fixieren. Durch beidäugiges Sehen kann die Sehschwelle dagegen um 20 bis 40% angehoben werden. Der Helligkeitseindruck läßt sich auch steigern, indem man das Objekt nicht direkt betrachtet, sondern etwas daran vorbeiblickt (indirektes Sehen). In der Netzhautgrube (in Richtung der optischen Achse des Auges) ist nämlich die Dichte der Stäbchen, die das Sehen bei geringen Beleuchtungsstärken ermöglichen, etwas geringer als in der Randzone der Netzhaut. Die erreichbare Genauigkeit beim visuellen Helligkeitsvergleich zweier Lichtquellen hängt von deren Flächenausdehnung ab. Bei Flächenhelligkeiten läßt sich eine Genauigkeit von etwa $\pm 0,02$ mag, bei Punkthelligkeiten von etwa $\pm 0,2$ mag erreichen.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29