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Spektroskopische Beobachtungen - Die Radialgeschwindigkeitskurve

Bei einem Doppelsternsystem produziert die Bewegung der beiden Komponenten um den gemeinsamen Schwerpunkt infolge des Doppler-Effekts eine periodische Verschiebung der Spektrallinien um einen Mittelwert:
\begin{displaymath}
\frac{\Delta \lambda}{\lambda} = \frac{v_{\rm r}}{c} \, .
\end{displaymath} (10)

Die Geschwindigkeit, die diesem Mittelwert entspricht, ist gleich der Radialgeschwindigkeitskomponente der Raumbewegung des Systemschwerpunkts $v_{r_0}$. Von den Beobachtungsmöglichkeiten her lassen sich zwei Fälle unterscheiden.
  1. Beide Komponenten besitzen nahezu die gleiche Masse, sind daher etwa gleichhell, und beide Radialgeschwindigkeitskurven lassen sich beobachten.
  2. Die Massen der Komponenten sind unterschiedlich und infolge der Masse-Leuchtkraft-Beziehung ist der Leuchtkraftunterschied proportional zu $M^3$. Man kann also nur die Linienverschiebung der helleren Komponente beobachten. Dies ist der häufigere Fall.
In der Abbildung 7 ist dieser Fall illustriert.


Aus der Radialgeschwindigkeitskurve lassen sich die Amplituden $A_1$ und $A_2$ ablesen. In diesen Punkten mißt man die tatsächliche Bahngeschwindigkeit der Komponente an um $180^\circ$ gegenüberliegenden Punkten der Bahn bzw. die Komponente dieser Geschwindigkeit in Richtung der Sichtlinie. Der Mittelwert von $A_1$ und $A_2$ ist näherungsweise gleich der projizierten mittleren Bahngeschwindigkeit der Komponente:
\begin{displaymath}
\bar{v} = \frac{2 \pi a_1 \sin i}{86400 U \sqrt{1-e^2}} \, .
\end{displaymath} (11)

Die Umlaufzeit ist hier in Tagen und $a_1$ in km einzusetzen. Als zweite Formel steht uns das 3. KEPLERsche Gesetz (Gl. 1) zur Verfügung. Die dritte Bestimmungsgleichung liefert der Schwerpunktsatz:
\begin{displaymath}
\frac{a_1}{a_2} \ = \ \frac{M_{\rm b}}{M_{\rm a}} \, .
\end{displaymath} (12)

Im Fall der Bedeckungsveränderlichen liegt die Bahnebene nahezu in der Sichtlinie, so daß wir $\sin i \approx 1$ setzen können und $\overline{v}$ die tatsächliche mittlere Bahngeschwindigkeit der jeweiligen Komponente ist. Sind beide Radialgeschwindigkeitskurven zu beobachten, kann man $a_1$ und $a_2$ und damit auch die Massen $M_{\rm a}$ und $M_{\rm b}$ unabhängig bestimmen. Ist nur das Spektrum einer Komponente zu beobachten, läßt sich nur die Massenfunktion $f(M)$
\begin{displaymath}
f(M) = \frac{{M_{\rm b}}^3}{{(M_{\rm a} + M_{\rm b})}^2} =
\frac{{a_1}^3}{U^2} \,
\end{displaymath} (13)

bestimmen.


Da man immer die Geschwindigkeitskomponenten in Richtung der Sichtlinie beobachtet, ist nur die Amplitude der Radialgeschwindigkeitskurve von der Bahnneigung abhängig. Die Form dieser Kurve gibt unabhängig von der Bahnneigung Auskunft über die Lage der Apsidenlinie zur Sichtlinie und die Exzentrizität der Bahn. Wenn die Bahnen kreisförmig sind, werden die Geschwindigkeitskurven symmetrische Sinuskurven sein. Im Fall stark exzentrischer Bahnen werden die Kurven zunehmend unsymmetrischer und ihre Form hängt stark vom Winkel zwischen Sichtlinie und Apsidenlinie ab (Abb. 8).
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Juergen Weiprecht 2002-10-29