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Photometrische Beobachtungen - Die Lichtkurve

Die beobachtete Lichtkurve eines Veränderlichen besteht aus einer Serie diskreter Messungen der Helligkeit des Objekts zu definierten Zeitpunkten. Die Helligkeit wird dabei generell in Größenklassen
\begin{displaymath}
m= -2.5 \log \left( \frac{S}{S_0} \right) \,
\end{displaymath} (14)

ausgedrückt. Dabei ist $S$ der Strahlungsstrom, der uns vom Stern erreicht in [J ${\rm m}^2$ ${\rm s}^{-1}$] und $S_{\rm0}$ ein fiktiver Strahlungsstrom, der der Helligkeit $0^m$ entspricht (siehe Aufgabe Nr. 8 Gl. 1). Für den Fall der Bedeckungsveränderlichen (beide Sterne sind gleich weit vom Beobachter entfernt) kann man $S$ auch durch den Gesamtstrahlungsstrom, der von der Sternoberfläche ausgeht - die Leuchtkraft des Sterns, $L$ - ersetzen. Beträgt die Umlaufperiode $U$ Tage, kommt es während eines Umlaufs, bei einer nicht zu starken Neigung der Bahn gegen die Sichtlinie, normalerweise zu zwei Bedeckungen. Für gewöhnlich bewirkt eine Bedeckung, die Hauptbedeckung, einen tieferen Einschnitt in die Lichtkurve als die andere, die sekundäre Bedeckung. Kennt man den zeitlichen Abstand zwischen zwei Hauptminima, der gleich der Periode $U$ des Bedeckungsveränderlichen ist, und bezeichnet man den Zeitpunkt des primären Minimums mit $t_0$, so lassen sich viele in ungleichmäßigen Zeitabständen $t_{\rm i}$ gewonnene Beobachtungen der Lichtkurve in einer gemeinsamen, auf den Phasenwinkel $\varphi$,
\begin{displaymath}
\varphi = \frac{2 \pi (t_{\rm i} - t_0)}{U} = \frac{360^{\circ} (t_{\rm i}
- t_0)}{U} \,
\end{displaymath} (15)

bezogenen Darstellung (siehe Abb. 9), auftragen. Ein weiterer Vorteil dieser Darstellung ergibt sich aus der Tatsache, daß der Phasenwinkel $\varphi$ gleich der mittleren Anomalie der relativen Bahn der lichtschwächeren Komponente ist.


Eine erste Klassifikation der Lichtkurve erfolgt nach dem Gesamteindruck, d.h. den im Abschnitt "`Formen der Lichtkurve"' genannten Kriterien. Im weiteren beschäftigen wir uns ausschließlich mit der Analyse der Lichtkurve von Algol-Systemen. Massenaustausch und Verformung der Sterne spielen also keine Rolle. Die Lichtkurve ist durch die geometrischen Eigenschaften bestimmt und kann durch Randverdunklung und Reflexion beeinflußt werden (siehe auch C. HOFFMEISTER [3]). Außerhalb der Minima ist die Lichtkurve konstant. Man beobachtet das Gesamtlicht beider Komponenten. Der Gesamtstrahlungsstrom ergibt sich aus der Summe der Strahlungsströme der Komponenten:
\begin{displaymath}
S_{\rm g} = S_{\rm {\rm a}} + S_{\rm {\rm b}} \, .
\end{displaymath} (16)

Die Gesamthelligkeit $m_{\rm g}$ berechnet sich dann wie folgt:
\begin{displaymath}
m_{\rm g} = -2.5 \log(10^{-0.4(m_{\rm a})} + 10^{-0.4(m_{\rm b})}) \, ,
\end{displaymath} (17)

Bei den Minima sind zwei unterschiedliche Erscheinungen möglich. Steht der größere Stern mit dem Strahlungsstrom $S_{\rm a}$ vollständig vor der kleineren Komponente, handelt es sich um eine Bedeckung (englisch = eclipse), und der Gesamtstrahlungsstrom $S_{\rm E}$ während der Zeitdauer der Totalität ist gleich $S_{\rm a}$. Zieht der kleinere Stern mit dem Strahlungsstrom $S_{\rm b}$ vor der Scheibe der größeren Komponente vorüber, handelt es sich um einen Durchgang (Transit). Der Gesamtstrahlungsstrom $S_{\rm T}$ ergibt sich im Fall einer solchen ringförmigen Finsternis zu:
\begin{displaymath}
S_{\rm T} = S_{\rm a} \left( 1 - \frac{\pi R^2_{\rm b}}{\pi R^2_{\rm a}}
\right) + S_{\rm b} \, .
\end{displaymath} (18)

Haben die Sterne unterschiedliche Radien, wechseln stets totale und ringförmige Finsternisse einander ab. In Abbildung 10 ist ein typisches Minimum für zwei Sterne mit unterschiedlichen Radien dargestellt.


Im Fall eines Transits bedeckt der kleinere Stern zunächst die randverdunkelten Zonen des größeren Sterns. Das bewirkt, daß während der partiellen Phase der Abfall der Lichtkurve nicht geradlinig erfolgt. Im Verlauf der ringförmigen Phase ist dann auch das Plateau, der untere Teil der Lichtkurve, während des Minimums nicht mehr streng geradlinig (siehe auch Abb. 6). Weicht die Neigung der Bahn gegen die Sichtlinie merklich von $0^\circ$ ab, kommt es nur noch zu partiellen Bedeckungen. Das Plateau entartet zu einem Punkt. Dieser repräsentiert den Zeitpunkt des Maximums der teilweisen Bedeckung. Das Minimum ist spitz wie im Fall exakt gleich großer Sterne. Eine weitere Abweichung von der schematisierten Lichtkurve kann sich durch den Reflexionseffekt ergeben. Er tritt auf, wenn eine kleine, hellere und heiße Komponente einen großen, lichtschwächeren und kühleren Stern umkreist. Kurz vor und nach dem Nebenminimum (Transit) wird ein Teil des Lichts von der Rückseite der heißen Komponente vom kühlen Stern in die Sichtlinie reflektiert. Der kurz vor und nach dem Nebenminimum beobachtete Strahlungsstrom ist also größer als der im Normallicht beobachtete Gesamtstrahlungsstrom $S_{\rm g}$. Hinsichtlich der Zustandsgrößen der Sterne lassen sich aus der Analyse der Minima sowohl die Radien und die effektiven Temperaturen der beiden Komponenten bestimmen. Das ist besonders einfach im Fall einer näherungsweise oder exakt kreisförmigen Bahn. Hier kann man aus den Phasenwinkeln der Kontaktzeiten sofort die Radien der Sterne in Einheiten der großen Halbachse (bzw. des Radius) der Bahn ableiten. (siehe Abb. 10).
$\displaystyle R_{\rm a} + R_{\rm b}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{2} \frac{(\varphi_4 - \varphi_1)}{2 \pi}$  
$\displaystyle R_{\rm a} - R_{\rm b}$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{2} \frac{(\varphi_3 - \varphi_2)}{2 \pi}$ (19)

Zur Ableitung der effektiven Temperaturen ersetzen wir zunächst die Strahlungsströme $S$ durch die Leuchtkräfte $L$ und betrachten die Sterne näherungsweise als Schwarze Strahler. Im Fall einer Bedeckung ergibt sich mit $L_{\rm E} = L_{\rm a}$ nach Gln. 7,8,14 und 17
$\displaystyle m_{\rm B} - m_{\rm g}$ $\textstyle =$ $\displaystyle -2.5 \log \left( \frac{L_{\rm a}}
{L_{\rm g}} \right)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle 2.5 \log \left( \frac{4 \pi R^2_{\rm a} \sigma T^4_{\rm a} + 4 \pi
R^2_b \sigma
T^4_{\rm b}}{ 4 \pi R^2_{\rm a} \sigma T^4_{\rm a}} \right)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle 2.5 \log \left( 1 + \frac{R^2_{\rm b} T^4_{\rm b}}
{R^2_{\rm a} T^4_{\rm a}} \right) \, .$ (20)

Unter Berücksichtigung von Gl. 19 ergibt sich ebenso einfach die entsprechende Formel für einen Transit.
$\displaystyle m_{\rm T} - m_{\rm g}$ $\textstyle =$ $\displaystyle -2.5 \log \left( \frac{L_{\rm T}}
{L_{\rm g}} \right)$ (21)
  $\textstyle =$ $\displaystyle 2.5 \log \left( \frac{4 \pi R^2_{\rm a} \sigma T^4_{\rm a}
+ 4 \p...
..._{\rm b}}{R^2_{\rm a}} \right)
+ 4 \pi R^2_{\rm b} \sigma T^4_{\rm b} } \right)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle 2.5 \log \left( \frac{1 + \frac{R^2_{\rm b} T^4_{\rm b}}
{R^2_{\r...
...}}{R^2_{\rm a}}
\left( \frac{T^4_{\rm b}}{T^4_{\rm a}} - 1 \right) + 1} \right)$  

Jetzt wollen wir noch untersuchen, wie die Bahnelemente der Nebenkomponente sich in Lage und Form der Minima widerspiegeln. Ist die Bahn exakt kreisförmig, so folgen die Minima in genau $U/2$ Tagen aufeinander. Diese Aussage ist jedoch nicht umkehrbar eindeutig. Schaut man in der Bahnebene genau entlang der großen Halbachse einer Bahn mit beliebiger Exzentrizität, so folgen die Bedeckungen auch genau im Abstand von $U/2$ Tagen aufeinander. Infolge des 2. KEPLERschen Gesetzes (Drehimpulserhaltung) ist aber die Geschwindigkeit der Komponente B im Apastron langsamer als im Periastron. Die beiden Bedeckungen müssen sich also hinsichtlich ihrer Zeitdauer unterscheiden. Benutzt man den Energiesatz für das Zweikörperproblem in Form der Geschwindigkeitsbeziehung
\begin{displaymath}
v^2 = G \cdot (M_{\rm a} + M_{\rm b}) \cdot \left( \frac{2}{r} -
\frac{1}{a} \right)
\end{displaymath} (22)

und wendet sie für den Fall, daß die Sichtlinie parallel zur großen Halbachse liegt, an, so kann man das Verhältnis der Geschwindigkeiten im Periastron und im Apastron berechnen:
\begin{displaymath}
\frac{v_{\rm P}}{v_{\rm A}} \ = \ \frac{(1+e)}{(1-e)} \, .
\end{displaymath} (23)

Da die Wege, die für eine vollständige Bedeckung zurückgelegt werden, jeweils gleich sind, ist das Verhältnis der Zeiten der beiden Minima ein Maß für die Exzentrizität der Bahn von B um A:
\begin{displaymath}
\frac{\Delta t_{\rm P}}{\Delta t_{\rm A}} \ = \ \frac{(1-e)}{(1+e)} \, .
\end{displaymath} (24)

Sind jedoch die Intervalle zwischen den Verfinsterungen nicht genau zeitgleich, so muß die Bahn exzentrisch sein. Das Teilungsverhältnis, mit dem das Nebenminimum die Umlaufperiode teilt, ist eine Funktion der Exzentrizität und des Winkels zwischen der Sichtlinie und der Apsidenlinie. Bei engen, schnell rotierenden Doppelsternsystemen kann es zu einer Drehung der Apsidenlinie kommen, was sich in einer stetigen Änderung der Lage des Nebenminimums äußert. Sowohl die gemessenen Radialgeschwindigkeiten als auch Zeitpunkte des Eintritts der einzelnen Phasen werden durch die Bahnbewegung der Erde um die Sonne periodisch verfälscht. Die Korrektur erhält man, indem man vom geozentrischen zu einem heliozentrischen Koordinatensystem übergeht. Die Beobachtungszeiten werden dann in heliozentrischer Zeit angegeben. Dadurch wird die Zeitangabe unabhängig von der jahreszeitlich unterschiedlichen Entfernung zum Objekt. Von der Beobachtungszeit in UT gelangt man zur heliozentrischen Zeit durch Addition der heliozentrischen Korrektur $h$, die sich wie folgt berechnet:
\begin{displaymath}
h = -\tau (R \cos \lambda \cos \alpha \cos \delta
+ R \si...
...sin \delta
+ \cos \varepsilon \cos \delta \sin \alpha))\, .
\end{displaymath} (25)

Hierbei sind $\alpha$ und $\delta$ die äquatorialen Koordinaten des Sterns, $\varepsilon $ die Schiefe der Ekliptik, $\lambda$ die ekliptikale Länge der Sonne und $R$ der momentane Radiusvektor Erde-Sonne in Astronomischen Einheiten. Der Wert für $\tau$, die Lichtzeit für die astronomische Längeneinheit, beträgt 0,0057755 Tage. Die Theorie der Bestimmung der Bahnelemente aus den Eigenschaften der Lichtkurve wurde von H.N. RUSSEL 1912 [4] entwickelt. Generell unterscheidet man zwischen direkten und iterativen Lösungen. Während bei RUSSELs Methode die Elemente unter bestimmten Annahmen direkt aus den Bestimmungsgleichungen bestimmt werden, nähert man sich bei der Methode von WOOD 1969 [5] schrittweise der besten Lösung an. Bei den modernen Verfahren (z.B. WILSON und DEVINNEY 1971 [6]) werden alle weiter oben besprochenen Effekte in die Rechnung einbezogen. Neue Verfahren nutzen auch die Methode der Fourieranalyse für die Berechnung der Elemente (siehe z.B. GHEDINI 1984 [7]). Eine moderne Beschreibung der Theorie der Verfinsterungen bei Bedeckungssternen findet man z.B. bei KOPAL 1990 [8]. Entwicklungseffekte in Doppelsternsystemen sind ausführlich bei KOPAL und RAHE 1982 [9] abgehandelt. Eine vollständige Analyse der Lichtkurve ist oft schwierig, rechenzeitintensiv, mit relativ großen Fehlern behaftet und meistens nur durch den Vergleich mehrerer Methoden zu erhalten, weil, wie wir weiter oben gesehen haben, die Form der Lichtkurve dem Einfluß vieler Faktoren unterliegt. Wir werden deshalb hier das Verfahren der Simulation benutzen, bei der wir die astrophysikalischen Parameter vorgeben und dann den Einfluß der Änderung einzelner Parameter auf die Gestalt der Lichtkurve untersuchen. Für die Simulation steht Ihnen das Programm ALGOL.EXE zur Verfügung.
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Juergen Weiprecht 2002-10-29