Da in der Astronomie die beobachtbare Strahlung die nahezu einzige zur
Verfügung stehende Informationsquelle darstellt, ist es notwendig, diese
möglichst vollständig zu erschließen. Die moderne Beobachtungstechnik
erlaubt heute die räumliche Auflösung einer Vielzahl ausgedehnter Objekte,
die im polarisierten Licht sichtbar sind. Am Beispiel einiger im folgenden
aufgeführten Polarisationskarten soll gezeigt werden, wie aus der Lage und
Verteilung der Polarisationsvektoren (Polarisationsmuster), aus dem
Polarisationsgrad und dessen Wellenlängenabhängigkeit und der zum Teil
zeitlichen Veränderlichkeit des Polarisationsmusters auf strukturelle und
physikalische Eigenschaften der betreffenden Objekte geschlossen werden kann.
Diese Rückschlüsse werden im allgemeinen im Zusammenhang mit der
Helligkeitsverteilung und weiteren Beobachtungsbefunden gezogen.
Der der Interpretation einer Polarisationskarte zugrunde gelegte
Polarisationsmechanismus ist nicht immer eindeutig festlegbar. Gerade
zwischen den Mechanismen, die auf der Wechselwirkung von Strahlung mit
kosmischen Staubteilchen beruhen, ist die Unterscheidung manchmal
kompliziert oder gar nicht
möglich, da beide Prozesse gleichzeitig wirken können. Im weiteren werden
nur Polarisationskarten von Objekten gezeigt, die mit kosmischem Staub im
Zusammenhang stehen.
Polarisationskarten werden insbesondere zur Aufklärung der Struktur
zirkumstellarer Hüllen genutzt. Zirkumstellare Hüllen sind
Gas-Staub-Ansammlungen in der Nähe von stellaren Objekten, die besonders
ausgeprägt im Falle junger stellarer Objekte als Überrest und/oder
"`Nebenprodukt"' des protostellaren Kollaps und der Vorhauptreihenentwicklung
sind, aber auch im Falle von Sternen im Nachhauptreihenstadium aus
Masseverlustprozessen resultierend entstehen.
Die im weiteren aufgeführten Beispiele beziehen sich zum großen Teil auf die
Aufklärung der Struktur der zirkumstellaren Umgebung entstehender Sterne.
Karten dieser Objekte zeigen oft zentralsymmetrische Polarisationsmuster
(siehe z.B. Abb. 14 und 15). Diese sehr auffälligen
Muster sind allein auf Streuung des
Lichtes der stellaren (mehr oder weniger eingehüllten) Zentralquellen am
zirkumstellaren Staub zurückzuführen. Ein zentralsymmetrisches Muster kann
nur entstehen,
wenn ein großer Teil der Strahlung, die an den Staubteilchen gestreut wird,
aus einem lokal sehr begrenzten Gebiet (z.B. von einem Stern) stammt. Da die
Polarisationsrichtung bei Streuung an einem kosmischen Staubteilchen
im allgemeinen
senkrecht zu der Ebene liegt, die durch die Richtungen der einfallenden und
gestreuten Strahlung aufgespannt wird, ordnen sich die Polarisationsvektoren
tangential zur in Projektion sichtbaren Verbindungslinie zwischen Stern und
Staubteilchen an (wenn die Einfallsrichtung vom Stern dominierend gegenüber
anderen Einfallsrichtungen mehrfach gestreuter Strahlung ist).
Theoretisch möglich ist bei dielektrischen Staubteilchen mit Ausdehnungen
im Bereich der Wellenlänge auch eine radiale Ausrichtung.
Ein zentralsymmetrisches Polarisationsmuster erlaubt in einfacher Art und
Weise die Identifizierung und die Lokalisierung des für die Beleuchtung
der zirkumstellaren Hülle verantwortlichen Objektes durch die
Konstruktion des ungefähren
Schnittpunktes der Mittelsenkrechten durch alle zentralsymmetrisch
angeordneten
Polarisationsvektoren. Diese Anwendung sei durch das folgende Beispiel
belegt. So nahm man vor der Erstellung einer Polarisationskarte vom Gebiet
HH34 (Abb.14 rechts) an, daß das Objekt HH 34 IRS5 für die
Bestrahlung des umgebenden Nebels verantwortlich sei.
Das ausgeprägte reguläre zirkulare Polarisationsmuster zeigt jedoch
eindeutig, daß die Strahlungsquelle ein recht schwacher Stern ist, der sich
hinter der nördlichen Peripherie des Nebels (in Abb.14 rechts
oben
rechts) befindet. Die Beobachtung, daß der Stern so schwach gegenüber dem
reflektierenden Nebel strahlt, läßt darauf schließen, daß sein Licht auf
der Sichtlinie "`verdunkelt"' wird, in die Richtung zum Reflexionsnebel
jedoch fast ungehindert austreten kann.
Bei einer Reihe von Polarisationskarten zeigen sich in der Nähe der
beleuchtenden Quelle systematische Abweichungen vom zentralsymmetrischen
Polarisationsmuster. Anstatt einer zentralsymmetrischen (kreisförmigen)
Anordnung der Polarisationsvektoren (Polarisationsvektoren liegen tangential
an Kreisen, deren Mittelpunkte im beleuchtenden Objekt liegen) sind diese eher
elliptisch angeordnet oder sogar partiell linear ausgerichtet. Derartige
Muster ergeben sich unter anderem durch Mehrfachstreuung an dichten
Staubscheiben (Mehrfachstreuung bedeutet hierbei, daß die auf die
Staubscheibe treffende Strahlung bereits Streustrahlung ist, welche aus
Gebieten ober- und unterhalb der Scheibe kommt). Eine andere Erklärung
basiert auf dichroitischer Absorbtion durch ausgerichtete längliche Teilchen
in der Scheibe. Ein prominentes Beispiel für die elliptische Verformung
des zentralsymmetrischen Polarisationsmusters ist in der Karte der
HL/XZ-Tau-Region (siehe Abb.15) zu sehen. Die Längsachse der
"`Polarisationsellipse"' liegt dabei in der Ebene der vermuteten
zirkumstellaren Staubscheibe. In unmittelbarer Nähe von HL Tau sind die
Polarisationsvektoren sogar linear ausgerichtet. Die Länge des Gebietes mit
ausgerichteten Polarisationsvektoren kann einem Modell von BASTIEN und
M`ENARD [3] zufolge u. a. zur Abschätzung der Scheibengröße
verwendet werden.
Im Falle von HL Tau ergibt sich danach für den Durchmesser der
zirkumstellaren
Staubscheibe (bei einer Länge der ausgerichteten Muster von
7 und einer Entfernung zu HL Tau von 140 pc) ein Wert von
880 AE.
Die vermuteten Durchmesser der zirkumstellaren Staubscheiben liegen bei
einigen hundert AE. Um diese Strukturen an Hand vorhandener linear ausgerichteter
Polarisationsmuster erkennen zu können, bedarf es einer hohen räumlichen
Auflösung in den Polarisationskarten. Es sei daran erinnert, daß in der
für Sternenstehungsgebiete typischen Entfernungvon 500 pc
räumliche Auflösung einer Ausdehnung von 500 AE
entspricht. Inzwischen sind einige Polarisationskarten verfügbar, die eine
räumliche Auflösung im Bereich von einer aufweisen.
PIIROLA und Mitarbeiter [15] konnten mittels ihrer hochaufgelösten
Polarisationskarten (beste Kartenauflösung 0,2 bei einem Seeing von
0,4 ...0,6) bei zwei HERBIG-Ae/Be-Sternen
(Vorhauptreihensterne mittlerer Masse, 3-5 M) ausgerichtete
Polarisationsmuster als Hinweis auf die Existenz von Scheibenstrukturen
nachweisen.
TAMURA und Mitarbeiter [25] nutzten Polarisationskarten zur
Untersuchung
der Struktur der gerichteten Massenausflüsse bei einer Reihe von jungen
stellaren Objekten. Aus dem Vergleich der Polarisationsbeobachtungen mit
Beobachtungen von CO-Ausflüssen und Radiojets konnten sie die Bipolarität
(siehe dazu Abb.16), eine Hüllen-Hohlraumstruktur und einen
großen Öffnungswinkel nahe der Zentralquelle als typische Merkmale von den
als Reflexionsnebel beobachtbaren Massenausflüssen feststellen.
Einige junge stellare Objekte zeigen in ihren Polarisationskarten über den
Zeitraum einiger Jahre hinweg deutliche Veränderungen im Polarisationsmuster.
Diese Veränderungen lassen sich unter anderem als Folge der Rotation einer
inhomogenen ("`klumpigen"') Staubhülle interpretieren.
Abb. 17: Modell des bipolaren Nebels [5].
An dieser Stelle soll bemerkt werden, daß man gerade auch auf Grundlage von
räumlich aufgelösten Polarisationsbeobachtungen auf das Modell des bipolaren
Nebels
(siehe Abb.17) schlußfolgerte, welches eine erste Vorstellung
über die Struktur der zirkumstellaren Umgebung von entstehenden Sternen
lieferte.
Eine andere Klasse von ausgedehnten Objekten (neben den zirkumstellaren
Staubhüllen), die aufgrund der Existenz von sowohl streuenden als auch
dichroitisch absorbierenden Staubteilchen im teilweise polarisierten Licht
erscheinen,
sind Galaxien. Bei vergleichbaren Flächenhelligkeiten zwischen
Reflexionsnebeln und Galaxien ist die Polarisationsmessung bei Galaxien wegen
der nur geringen erreichten Polarisationsgrade von 1-5% (gegenüber
bis zu 70% bei den Reflexionsnebeln) schwieriger.
Abb. 18 links zeigt die Polarisationskarte der relativ nahen und
hellen SEYFERT-Galaxie NGC1068.
Die Polarisation des Lichts in den Gebieten rund um den aktiven Kern dieser
Galaxie
ist auf dichroitische Absorbtion an im Magnetfeld ausgerichteten länglichen
Staubteilchen in den Spiralarmen und Zwischenarmgebieten zurückzuführen
(die Rolle der Streuung ist noch unklar) und gibt umgekehrt
Aufschluß über den Verlauf des Magnetfeldes in der Galaxie.
Die Polarisation des Lichts aus dem Zentrum von NGC1068
(siehe Abb.18 rechts) entsteht aus einer Kombination der
Wirkungen von Streuung und dichroitischer Absorption. Bei näherer
Betrachtung ist im Zentrum der Galaxie ein Gebiet erkennbar, wo gegenüber
der
Umgebung deutlich größere Polarisationsgrade zu erkennen sind, wobei die
Anordnung der Polarisationsvektoren derjenigen von Reflexionsnebeln
entspricht. Dies kann auf die anisotrope Beleuchtung des Staubes durch den
aktiven Galaxienkern erklärt werden, die womöglich durch die Existenz
eines zirkumnuklearen Staubtorus entsteht. Radioastronomische Beobachtungen
untermauern diese Erklärung, indem sie am Ort des Reflexionsnebels ein
stark ionisiertes Gebiet nachweisen, welches als Folge des in gleicher Weise
anisotropen UV-Strahlungsfeldes gebildet werden könnte.
Neben den bisher erwähnten Strukturaussagen kann durch die Messung der
Polarisation des Lichtes auch auf die effektive Größe der Staubteilchen,
an denen das Licht gestreut wurde, geschlossen werden.
Im folgenden soll dies am Beispiel des Reflexionsnebels, der durch die
IRAS-Quelle 07131-0147 beleuchtet wird, beschrieben werden. Man nimmt an, daß
dieser Reflexionsnebel einen protoplanetaren Nebel darstellt, der im Laufe
der Nachhauptreihenentwicklung des Zentralsterns auf dem asymptotischen
Riesenast entsteht. In Abb. 19 links ist die Polarisationskarte
der zirkumstellaren Umgebung von IRAS07131-0147 dargestellt. Abb.
19 rechts zeigt die Verläufe von Intensität, dem linear
polarisierten
Anteil der Intensität und des linearen Polarisationsgrades entlang der in
Ausflußrichtung liegenden Nebelachse.
SCARROTT und Mitarbeiter [22]
schlossen unter Vorraussetzung einer einfachen Hüllengeometrie auf
Grundlage der im folgenden angedeuteten Überlegungen auf
die effektive Staubteilchengröße: (1) Die Position von IRAS07131-0147 im
Zweifarbendiagramm deutet auf einen M-Stern, dessen sauerstoffreichere
(im Vergleich zum Kohlenstoffgehalt) Winde zur Bildung von Silikatteilchen
führen. (2) Der maximale Polarisationsgrad von 67% kann nur erreicht werden,
wenn die Streuwinkel nahe 90 liegen, d.h. wenn die Nebelachse nur
leicht gegen die Ebene des Himmels geneigt ist (die Depolarisation durch
Integration der verschieden polarisierten Intensitätsanteile entlang der
Sichtlinie ist gering, da die Staubteilchen sich an den Wänden der
Ausflüsse konzentrieren - Hüllen-Hohlraumstruktur). (3) Im Falle von
RAYLEIGH-Streuung wäre (bei vernachlässigbarer Absorption)
eine Symmetrie des Helligkeitsverlaufes zwischen beiden Flügeln des
Reflexionsnebels entlang der Nebelachse in Bezug
auf die Zentralquelle zu erwarten, die jedoch nicht vorliegt
(vgl. Abb.19 r.o.). (4) Um die maximal erreichte Polarisation mit
MIE-streuenden Teilchen zu erklären,
deren Radienverteilung dem Potenzgesetz
folgt, muß der
Exponent der Radienverteilung betragen (siehe Abb.20).
Dies bedeutet, daß die effektive Größe der Staubteilchen (das ist die
Größe, bei der die meiste Energie gestreut wird) m beträgt.
Die Erstellung und Auswertung von Polarisationskarten erstreckt sich nicht
nur auf extragalaktische Objekte und zirkumstellare Hüllen in
Sternentstehungsgebieten oder bei Nachhauptreihensternen.
Auch innerhalb unseres Sonnensystems sind Polarisationsbeobachtungen
ein brauchbares Hilfsmittel. So lassen sie z.B. im Falle von Kometen
Rückschlüsse auf deren Staubverteilung zu.
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Juergen Weiprecht
2002-10-29