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3.1.4 Sonnenzeit


Die im bürgerlichen Leben verwendeten Zeitmaße Jahr und Tag orientieren sich an der Erdbewegung bezüglich der Sonne. Der aus der Erdrotation relativ zur (beobachtbaren) wahren Sonne abgeleitete wahre Sonnentag (Einheit der wahren Sonnenzeit wZ) ist als die Zeitspanne zwischen zwei aufeinanderfolgenden Meridiandurchgängen der wahren Sonne bei deren unterer Kulmination (größte Höhe unter dem Horizont; für zirkumpolare, d.h. am Beobachtungsort niemals untergehende Objekte die kleinste Höhe über dem Horizont) festgelegt: wZ = $\tau_\odot \pm$ 12h. Die Festlegung, bei der der Stundenwinkel der Sonne $\tau_\odot$ um $\pm$ 12h verändert wird, ist nötig, damit der Tagesanfang auf Mitternacht fällt. Wegen der ungleichförmigen scheinbaren Sonnenbewegung längs der Ekliptik, hervorgerufen durch die unterschiedliche Geschwindigkeit der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne (ganzjährige Periode) und die Neigung der durch den Erdäquator gegebenen Rotationsebene gegen die durch die Ekliptik festgelegte Umlaufebene der Erde (Halbjahresperiode), läuft die wahre Sonnenzeit ungleichförmig ab. Eine für das moderne Leben notwendige konstante (bei Annahme konstanter Rotationsgeschwindigkeit der Erde) Zeiteinheit erhält man durch die Definition einer fiktiven mittleren Sonne (mittlere Sonnenzeit mZ), die als gleichmäßig auf dem Himmelsäquator scheinbar umlaufend gedacht wird: mZ = $\tau_{\overline{\odot}} \pm$ 12 h. Die Differenz zwischen wahrer und mittlerer Sonnenzeit gibt die sogenannte Zeitgleichung ZG: ZG = wZ - mZ. Der Verlauf von ZG im Laufe eines Jahres ist in Abb. 7 dargestellt. Der genäherte Wert von ZG ergibt sich wie folgt:

\begin{displaymath}
{\rm ZG} = -460^{\rm s} \cdot \sin (L-\pi) \ + \ 592^{\rm s} \cdot \sin (2L),
\end{displaymath} (9)

wobei $L = 279^\circ,6112 + 0,98564735 t$ die mittlere Länge der Sonne, $\pi = 282^\circ,6824 + 0,00004709 t$ die Länge des Perihels und $t = {\rm JD} - 2446065,5$ die nach dem Julianischen Datum (JD) in Tageseinheiten fortlaufend aufgezeichnete Zeit ist (JD = 2446065,5 am 1. Januar 1985, 0$^{\rm h}$ UT).


Während die fiktive mittlere Sonne alle 24 h mittlerer Sonnenzeit (mZ) den Meridian durchläuft, geht die beobachtbare wahre Sonne alle (24 + $\Delta$ZG)h mZ durch den Meridian, d.h., statt 24 h mZ werden (24 + $\Delta$ZG)h mZ für eine volle Umdrehung (360$^\circ$) der Erde bezüglich der wahren Sonne benötigt. Folglich rotiert die Sonne am Beobachtungstag nicht um 15 $\frac{\circ}{\rm h}$, sondern um 15 $\frac{\circ}{\rm h} \cdot f$ mit $f=\frac{24{\rm h}}{(24+\Delta{\rm ZG)h}}$. $\Delta$ZG ist dabei die tägliche Änderung der Zeitgleichung, welche für den Beobachtungszeitpunkt JD$_{\rm Beob}$ (Julianisches Datum, in Tageseinheiten) näherungsweise berechnet wird aus:

\begin{displaymath}
\Delta {\rm ZG} = {\rm ZG}({\rm JD}_{\rm Beob}+0,5) \ \ - \ \
{\rm ZG}({\rm JD}_{\rm Beob}-0,5).
\end{displaymath} (10)


Die mittlere Sonnenzeit ist von der geographischen Länge des Beobachtungsortes abhängig, d.h., sie ist eine Ortszeit. Zum praktischen Gebrauch der mittleren Sonnenzeit ist die Erde in Zeitzonen eingeteilt, die sich in der Regel jeweils zwischen zwei Meridianen mit $\Delta \lambda = 15^\circ$ erstrecken. Innerhalb einer jeden Zone gilt eine einheitliche Zonenzeit, welche der mittleren Ortszeit des jeweiligen Bezugsmeridians entspricht. In Westeuropa gilt die mittlere Ortszeit für die geographische Länge $\lambda = 0^\circ$ (Greenwich), die für astronomische Belange auch als Weltzeit (Universal Time UT) und für Seefahrtszwecke als Greenwich Mean Time (GMT) bezeichnet wird. In Deutschland gilt die Mitteleuropäische Zeit (MEZ), die mittlere Ortszeit für $\lambda = 15^\circ$ (Görlitz). Es gilt: MEZ = UT + 1h. Für die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) gilt: MESZ = MEZ + 1h.



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Juergen Weiprecht 2002-10-29