next up previous contents
Next: Einige praktische Probleme der Up: Grundlagen Previous: Gestirnsdurchmesser   Contents

7.1.4 Zur auflösungsbegrenzenden Wirkung der Erdatmosphäre

Im Gegensatz zur Radiointerferometrie sind interferometrische Messungen im optischen Spektralbereich wegen der mechanischen Instabilität der Teleskope und wegen der inhomogenen (statistischen) Verteilung des Brechungsindexes in den Schichten der Erdatmosphäre erheblich komplizierter, wenn nicht gar unmöglich. Derartige Inhomogenitäten werden durch Temperaturvariationen (optischer Spektralbereich) oder Schwankungen des Wasserdampfgehalts in der Luft (Radiobereich) hervorgerufen und führen zu Phasenfluktuationen innerhalb der die Atmosphäre durchlaufenden Wellenfronten. Für jede Wellenlänge existiert ein Raumgebiet (Turbulenzzelle), in dem die Wellenfront nahezu eben bleibt, d.h. der Phasenunterschied $\ll 2\pi$ ist (siehe auch Abb. 9). Ein für die Beobachtungspraxis wichtiges Maß für die Größe dieser Turbulenzzelle ist der FRIEDsche Parameter $r_0$. Diese von D.L. FRIED (1965, [7]) eingeführte Skalenlänge gibt den kritischen Durchmesser eines Teleskops an, von dem an die beugungsbegrenzte Auflösung bedingt durch die atmosphärische "`Verschmierung"' (mit normalen Mitteln) nicht mehr erreicht werden kann.


Der FRIEDsche Parameter $r_0$ kann wie folgt berechnet werden ([17], S. 301):
\begin{displaymath}
r_0 = 0,185 \, \lambda^{\frac{6}{5}} \, \left( X \int\limits_0^L C_n^2(h) {\rm d}h
\right)^{-\frac{3}{5}}.
\end{displaymath} (10)

Dabei ist $X=\frac{1}{\cos z}$ die von der Wellenfront zu durchlaufende Luftmasse bei der Zenitdistanz $z$. Die Größe $C_n^2(h)$ charakterisiert die Stärke der Brechzahlinhomogenität bei der Höhe $h$ in der Atmosphäre. Die Werte für $\int_0^L C_n^2(h)$ dh reichen von $2 \cdot 10^{-13}$ bis $100 \cdot 10^{-13}$ m $^{\frac{1}{3}}$ ([17], S. 303), wobei ein Wert von $5 \cdot 10^{-13}$ m $^{\frac{1}{3}}$ als typisch angenommen werden kann. Aus Gleichung (10) ergibt sich eine Abhängigkeit $r_0 \sim \lambda^{\frac{6}{5}}$. Folglich ist das durch die Erdatmosphäre begrenzte (Luftunruhe, Turbulenz - engl.: Seeing) Auflösungsvermögen eines Teleskopes ( $1,22 \frac{\lambda}{r_0}$) proportional zu $\lambda^{\frac{1}{5}}$, d.h. die seeing-begrenzte Auflösung eines Teleskops (großer Öffnung) wird mit größer werdender Wellenlänge besser. Während bei der Beobachtung mit einem Teleskop, dessen freie Öffnung $D \le r_0$ ist, zu einem beliebigen Zeitpunkt (d.h. bei eingefrorener Turbulenzelementeposition) nur ein Sternscheibchen zu sehen ist, sind bei einem Instrument größerer Öffnung gleichzeitig mehrere Sternscheibchen zu sehen, die Verbreiterung zu einem sogenannten Seeingscheibchen geht also viel schneller. Das Streifensystem eines Interferometers wird in zweierlei Hinsicht infolge der durch die Erdatmosphäre "`verbogenen"' Wellenfronten "`verschmiert"'. Zum einen sind die optischen Wege von Lichtstrahlen (Normalen zur Wellenfront) an verschiedenen Punkten der Wellenfront verschieden lang, d.h. das Licht durchläuft die Atmosphäre an verschiedenen Punkten verschieden schnell. Die daraus folgende Wellenlängenvariation hat zur Folge, daß die Streifen symmetrisch zum Schwerpunkt zusammen- oder auseinanderlaufen (siehe Abb. 10). Die Standardabweichung der optischen Weglänge zwischen zwei im Abstand $l$ voneinander entfernten Punkten einer Wellenfront ergibt sich aus der entsprechenden Standardabweichung der Phase $\sigma_{\varphi}$ wie folgt ([17], S. 334):
\begin{displaymath}
\sigma_{\rm s} = \sigma_{\varphi} \frac{\lambda}{2\pi} =
0,417 \, \lambda \, \left( \frac{l}{r_0} \right)^{\frac{5}{6}}.
\end{displaymath} (11)

Setzt man das Ergebnis von (11) ins Verhältnis zur Wellenlänge, so erhält man die Zahl der Streifen, um die sich diese verschieben.


Die "`Verbiegung"' der Wellenfront hat desweiteren eine Richtungsvariation der Lichtstrahlen zur Folge, welche sich in einer Bewegung des Bildschwerpunktes um den Winkel $\sigma_\xi$ äußert (siehe Abb. 10). Die Standardabweichung $\sigma_\xi$ (im Bogenmaß) kann wie folgt berechnet werden ([17], S. 336):
\begin{displaymath}
\sigma_\xi = 0,6 \left(\frac{\lambda}{D} \right)^{\frac{1}{6}}
\left( \frac{\lambda}{r_0} \right)^{\frac{5}{6}}.
\end{displaymath} (12)

Im Gegensatz zur abbildenden Beobachtung ist der "`verschmierende"' Einfluß des Seeing bei der interferometrischen Beobachtung nicht so groß, da hierbei das Streifenmuster nur dann "`verwaschen"' wird, wenn die durch das Seeing bedingte Richtungsänderung parallel der Verbindungslinie der Spalte erfolgt (bei einer senkrecht zur Spaltverbindungslinie erfolgenden Richtungsänderung wird das Streifenmuster lediglich verbreitert).
next up previous contents
Next: Einige praktische Probleme der Up: Grundlagen Previous: Gestirnsdurchmesser   Contents
Juergen Weiprecht 2002-10-29