Aus der Geschichte der Astronomie an der Universität Jena

Jena ist die einzige mitteleuropäische Universitätsstadt, in der Astronomie professionell seit über 450 Jahren kontinuierlich bis heute gepflegt wird.


vor 1442
Mittelalterliche Sonnenuhren an der Stadtkirche St. Michael

1548: Gründung der "Hohen Schule" in Jena

1548
Johann Stigel (1515-1562), der Gründungsprofessor der "Hohen Schule" zu Jena, hat auf Anregung Melanchthons auch Astronomie studiert.

1549
Victorin Strigel (1524-1569), der zweite Gründungsprofessor der "Hohen Schule", hat 1563 ein astronomisches Lehrbuch verfaßt.

1558: Gründung der Universität Jena

1552-1581
Michael Neander (1529-1581): Mathematik, Astronomie, von 1551 an Medizin

1548-1567
Michael Stifel (1486-1567): Mathematk, Astronomie

1588-1611
Georg Limnäus (1554-1611): Mathematik, Astronomie; Bibliothekar. Stand mit Johannes Kepler im Briefwechsel, richtete vor 1598 in Jena ein astronomisches Observatorium ein.

1613-1652
Heinrich Hoffmann (1576-1652): Mathematik, Astronomie. Hielt Vorlesungen in deutscher Sprache und führte ein astronomisches Praktikum ein.

1652-1699
Erhard Weigel (1625-1699): Mathematik, Astronomie. Mehrfach Dekan und Rektor der Universität. Vielseitiger Pädagoge und Erfinder. Ließ astronomische Geräte und Globen bauen; Vorläufer des Planetariums. Setzte sich intensiv für die Einführung eines einheitlichen Kalenders und die Gründung einer Akademie ein (durch seinen Schüler Leibniz im Jahr 1700 verwirklicht). Von etwa 1650 bis 1750 stieg die Sudentenzahl in Jena um das Doppelte auf 1500 Studenten – diese Zahl wurde erst 1910 durch das Wirken Rudolf Straubels für die Universität wieder erreicht.

1694-1716
Georg Albrecht Hamberger (1662-1716): Mathematik (Differentialrechnung), Astronomie

1718-1766
Johann Bernhard Wiedeburg (1687-1766): Mathematik, Astronomie

1760-1789
Johann Ernst Basilius Wiedeburg (1733-1789): Mathematik, Astronomie; Popularisator der Astronomie, Beobachtungen von Dach des Jenaer Schlosses und vom Fuchsturm aus. Diskurse mit Goethe über Mathematik und Astronomie.

1789-1823
Johann Heinrich Voigt (1751-1823): Mathematik, Physik, Astronomie

1810-1875
Karl Dietrich von Münchow (1778-1836): Mathematik, Astronomie. Erster Direktor der 1813 neuerrichteten Jenaer Sternwarte, die der "Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst" unterstellt war, die in den Händen Goethes lag. Bau astronomischer Geräte gemeinsam mit dem Hofmechanikus Friedrich Körner (1778-1847). Von Münchow folgten als Sternwartendirektoren
Johann Friedrich Posselt (1794-1823) von 1819 an und
Ludwig Schrön (1799-1875) von 1823 bis 1875.

1877-1900
Ernst Abbe (1840-1905): Mathematik, Physik, Astronomie. Zunächst Restaurierung der "Goetheschen" Sternwarte, 1889 Neubau des Mittelteils mit Kuppel des heutigen Institutsgebäudes mit zwei Meridianhäusern. Dazu beschaffte Abbe eine Reihe von Instrumenten. Abbe hielt an der Universität über 60 Semester hinweg ca. 6 Stunden pro Woche Vorlesung. Das alles neben seiner umfangreichen Tätigkeit im Zeiss-Werk! Durch die Einrichtung der Carl-Zeiss-Stiftung hat er die Jenaer Universität in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt erst überlebensfähig gemacht.

1900-1929
Otto Knopf (1856-1945): Astronomie. Von 1889 an Assistent von Abbe. Lehr- und Forchungstätigkeit: klassische Astronomie (Astrometrie und Himmelsmechanik). Forderung nach einer Beobachtungsstation außerhalb des Saaletals. Auf Abbes Einladung hin 1906 Tagung der Astronomischen Gesellschaft in Jena.

1929-1945
Heinrich Vogt (1890-1968) vom 1.2.1929 bis 30.11.1933 und
Heinrich Siedentopf (1906-1963) vom 1.12.1933 bis Juli 1945: Astronomie. Beginn astrophysikalischer Untersuchungen in Jena: Sternatmosphären, Sternentstehung (interstellare Materie), innerer Aufbau und Entwicklung der Sterne, Spiralnebel; photographisch-photometrische Untersuchungen, lichtelektrische Photometrie, Entwicklung astrophysikalischer Geräte. Bauliche und instrumentelle Erweiterungen der Sternwarte. Forderung nach einer Beobachtungsstation außerhalb des Saaletals, vorgesehene Orte dafür: Großschwabhausen oder Tautenburg.

1945-1969
Hermann Lambrecht (1908-1983): Astronomie. Begründung der Forschungsrichtung "Interstellare Materie" (IM) und Bildung einer akademischen Schule. Tagungen der Astronomischen Gesellschaft 1960 und 1965 in Weimar/Jena und Eisenach von Jena aus organisiert. 1962 Einrichtung der Beobachtungsstation bei Großschwabhausen mit einem 90-cm-Spiegelteleskop.

1969-1990
Helmut Zimmermann (1926-2011) von 1969 bis 1978,
Karl-Heinz Schmidt (1932-2005) von 1978 bis 1982,
Werner Pfau (geb. 1936) von 1982 bis 1984 und
Siegfried Marx (1934-1995) von 1984 bis 1990
wirkten als Leiter des "Wissenschaftsbereichs Astronomie" der "Sektion Physik für den wissenschaftlichen Gerätebau" der Jenaer Universität nach der Zerschlagung der Institutsstruktur durch die 3. Hochschulreform in der DDR. Untersuchungen der IM (nun "Interstellares Medium" genannt) wurden fortgesetzt, Beginn laborastrophysikalischer Untersuchungen in Jena. 1972 wurde das Direkt-Lehrerstudium in der Fachkombination Physik/Astronomie mit etwa 30 Studenten pro Matrikel als einzige Möglichkeit in der DDR an der Universitäts-Sternwarte Jena eingerichtet.

1990-2000
Werner Pfau wurde Direktor des "Astrophysikalischen Instituts und der Universitäts-Sternwarte Jena".
Er initiierte die Einrichtung einer Arbeitsgruppe der Max-Planck-Gesellschaft "Staub in Sternentstehungsgebieten", deren Aufbau und Leitung
Thomas Henning (geb. 1956) von 1992 bis 1996 übertragen wurde. Vom 1.1.1997 an wurde die Arbeitsgruppe wieder in das Institut integriert. Seitdem ist die astrophysikalische Forschung in die Bereiche "Theorie", "Beobachtung" und "Laborastrophysik" gegliedert.
Josef Solf (geb. 1934) war als Direktor der Thüringer Landessternwarte Tautenburg von 1994 bis 1999 Professor an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Universität Jena.

von 2000 an
Thomas Henning übernahm am 1.11.2000 das Direktorat, sein kommissarischer Nachfolger wurde am 1.6.2002
Jürgen Blum (geb. 1962), bis am 1.2.2003
Ralph Neuhäuser (geb. 1966) an das Institut berufen wurde.
Artie Hatzes (geb. 1957) ist als Direktor der Thüringer Landessternwarte Tautenburg vom Jahr 2000 an Professor an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Universität Jena.
Alexander Krivov (geb. 1962) übernahm am 1.12.2004 die zweite Professur am Institut.



Sternwarten an der Universität Jena

  • Die erste Sternwarte in Jena erwähnt Georg Limnäus in einem Brief an Kepler am 24. April 1598. Sein Observatorium ist nicht lokalisierbar.

  • 1656 errichtet Erhard Weigel das Observatorium auf dem Torgebäude des Collegium Jenense, das – mehrfach umgebaut – auch von seinen Nachfolgern Georg Albrecht, Georg Erhard und Adolf Albrecht Hamberger, Johann Bernhard, Basilius Christian Bernhard und Johann Ernst Basilius Wiedeburg genutzt wurde.

  • 1769 überließ Anna Amalia J.E.B. Wiedeburg das flache Dach des Jenaer Schlosses als Beobachtungsplattform und einen Raum im Schloß für die Instrumente.

  • Das vormalige Schillersche Gartenhaus war von 1812 bis 1889 die Jenaer Sternwarte, danach wurde das Gebäude bis etwa 1985 von der Universitäts-Sternwarte genutzt.

  • 1889 ließ Ernst Abbe den Sternwartenneubau als Oktogon mit Meridianhäusern errichten, der Bau wurde in der Folgezeit mehrfach erweitert und ist heute das Hauptgebäude des Astrophysikalischen Instituts und der Universitäts-Sternwarte Jena. Seit 1985 wird das benachbarte ehemalige Direktorenwohnhaus als Haus 2 genutzt.

  • Von 1910 bis 1936 diente die vormals Winklersche Kuppel im Schillergäßchen, heute die Urania-Sternwarte, als zweite Beobachtungsstätte.

  • Von 1936 bis 1963 diente die ehemalige Zeiss-Werksternwarte auf dem Jenaer Stadtforst als Beobachtungsstation außerhalb des Saaletals.

  • 1962 wurde die Beobachtungsstation bei Großschwabhausen mit einem 90-cm-Spiegelteleskop in Betrieb genommen.

    Institutsbezeichnungen:

    1812: Herzogliche Sternwarte zu Jena,

    1816: Großherzogliche Sternwarte zu Jena, firmierte von 1893 an als Universitäts-Sternwarte Jena,

    1902: Universitäts-Sternwarte zu Jena,

    1935: Universitäts-Sternwarte und Astrophysikalische Anstalt zu Jena,

    1940: Universitäts-Sternwarte und Astrophysikalisches Institut zu Jena,

    1968: Wissenschaftsbereich Astronomie der Sektion Physik für den wissenschaftlichen Gerätebau der Friedrich-Schiller-Universität Jena,

    1990: Astrophysikalisches Institut und Universitäts-Sternwarte der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Direktoren:

    1810–1819: Karl Dietrich von Münchow,

    1819–1823: Friedrich Posselt,

    1823–1875: Ludwig Schrön (zuerst kommissarisch),

    1877–1900: Ernst Abbe,

    1900–1929: Otto Knopf,

    1929–1933: Heinrich Vogt,

    1933–1945: Heinrich Siedentopf,

    1945–1969: Hermann Lambrecht,

    1969–1978: Helmut Zimmermann (WB-Leiter),

    1978–1982: Karl-Heinz Schmidt (WB-Leiter),

    1982–1984: Werner Pfau (WB-Leiter),

    1984–1990: Siegfried Marx (WB-Leiter als Honorarprofessor), Werner Pfau (ständiger Stellvertreter des WB-Leiters),

    1990–2000: Werner Pfau (Direktor),

    2000–2002: Thomas Henning,

    2002–2003: Jürgen Blum (kommissarisch),

    seit 2003: Ralph Neuhäuser.


    Dr. Reinhard E. Schielicke, 15. Juli 2022

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