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16.3.4 Erstellung von Polarisationskarten

Die Zusammenführung der für eine Polarisationskarte notwendigen vier verschiedenen CCD-Bilder bedarf einer Reihe weiterer Auswerteschritte, die im folgenden beschrieben werden.
Bei Verwendung mehrerer Aufnahmen, die bei verschiedenen Analysatorstellungen von ein und demselben Himmelsausschnitt gewonnen wurden, ist noch eine Zentrierung der Bilder mittels einzeln stehender heller Referenzsterne erforderlich. Da die Polarisationskarte gegenüber Verschiebung der Einzelaufnahmen sehr empfindlich ist, muß die Zentrierung mit großer Genauigkeit (0,1 Pixel, [12]) erfolgen (in Gebieten hoher Intensitätsgradienten würden Verschiebungen um ganze Zeilen oder Spalten zu großen Fehlern führen). Anstatt einer pixelweisen Verschiebung ist eine kontinuierliche Verschiebung nach Koordinaten erforderlich. Dies wird durch die Anpassung eines Intensitätsverlaufes an die diskreten Pixelwerte ermöglicht. Das Licht der Sterne erzeugt in einer Abbildung keinen Punkt, sondern ein Beugungsscheibchen. Der Intensitätsverlauf entspricht dabei einer GAUSSschen Glockenkurve. Die Lage der Maxima der Glockenkurven verschiedener Sterne ermöglicht die Feststellung einer relativen Koordinatenverschiebung (vgl. Abb. 12).


Sind die einzelnen Bilder nicht nur zueinander verschoben, sondern auch leicht verdreht, sowie in der Größe verschieden und verzerrt, so können zwei Bilder mit den Koordinatensystemen $x_{1}, y_{1}$ und $x_{2}, y_{2}$ durch eine lineare Transformation mit sechs Parametern ($A$, $B$, $C$, $D$, $E$ und $F$) zueinander zentriert werden ($x_{1}, y_{1}$ $\rightarrow$ $x_{2}, y_{2}$) [20]. Diese Transformation basiert auf dem Operator ${\bf\hat{R}}$, der die Rotation des Koordinatensystems 1 engegen dem Uhrzeigersinn um den Winkel $\gamma $ ins Koordinatensystem 2 realisiert und dem Operator ${\bf\hat{T}}$, der mit den Werten von $v_{\rm x}, v_{\rm y}$ die Verschiebung und den Faktoren $f_{\rm x}, f_{\rm y}$ die Stauchung oder Streckung der Koordinatenachsen bewirkt:

\begin{displaymath}
{\bf\hat{R}} =
\left( \begin{array}{cc} \quad \cos\gamma &...
... y} \cdot y_{1} & + \quad v_{\rm y}
\end{array} \right), \\
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
{x_{2} \choose y_{2}} = {\bf\hat{R}} \enspace {\bf\hat{T}} ...
...{1} \quad + \quad \cos\gamma v_{\rm y}
\end{array} \right),
\end{displaymath}



$\displaystyle x_{2}$ $\textstyle =$ $\displaystyle Ax_{1} + By_{1} + C ,$ (8)
$\displaystyle y_{2}$ $\textstyle =$ $\displaystyle Dx_{1} + Ey_{1} + F ,$  



\begin{displaymath}
A = \quad \cos\gamma f_{\rm x} , \quad B = \sin\gamma f_{\r...
...ad C = \enspace \cos\gamma v_{\rm x} + \sin\gamma v_{\rm y} ,
\end{displaymath}



\begin{displaymath}
D = -\sin\gamma f_{\rm x} ,
\quad E = \cos\gamma f_{\rm y} , \quad F = - \sin\gamma v_{\rm x} +
\cos\gamma v_{\rm y} .
\end{displaymath}

Da die verschiedenen zur Bestimmung des Polarisationszustandes notwendigen Aufnahmen nacheinander und somit nicht unter identischen Bedingungen (verschiedene Belichtungszeiten, verschiedene atmosphärische Extinktionen, ...) erstellt wurden, müssen sie noch relativ zueinander kalibriert (angeglichen) werden. Beim Zweistrahlpolarimeter müssen außerdem noch die beiden Kanäle zueinander kalibriert werden. Für die Kalibration werden mit Hilfe von auf der Aufnahme sichtbaren Referenzsternen Wichtungsfaktoren bestimmt. Hat ein Stern auf vier verschiedenen Aufnahmen (Polarimeter mit Polarisationsfolie) die Intensitäten $I_{0^{\circ}}$, $I_{45^{\circ}}$, $I_{90^{\circ}}$ und $I_{135^{\circ}}$, so ermitteln sich die Wichtungsfaktoren ($W_{0^{\circ}}$, $W_{45^{\circ}}$, $W_{90^{\circ}}$ und $W_{135^{\circ}}$) einfach aus dem Vergleich der Sternintensitäten in den verschiedenen Bildern (siehe auch [20]):

$\displaystyle W_{0^{\circ}} = \frac{I_{0^{\circ}}}{I_{0^{\circ}}} = 1 , \quad W...
...{90^{\circ}}} , \quad
W_{135^{\circ}} = \frac{I_{0^{\circ}}}{I_{135^{\circ}}} .$     (9)

Sterne, die für die Bestimmung der Intensitäten ausgewählt werden, dürfen nur in Gebieten liegen, die frei von der polarisierten Strahlung des interessierenden Objektes sind. Bei der Kalibration wird neben der Angleichung der Einzelaufnahmen bezüglich der Intensität gleichzeitig der Einfluß der interstellaren Polarisation beseitigt. Zu beachten ist dabei, daß bei der Auswahl eines auf der gleichen Aufnahme befindlichen Referenzsternes die Entfernung in etwa der des interessierenden Objektes entspricht, da die interstellare Polarisation entfernungsabhängig ist.
Der letzte Auswerteschritt beinhaltet die eigentliche Erstellung der Polarisationskarte. Dazu werden zunächst die STOKES-Parameter berechnet. Die dafür in den Gleichungen (2) gegebenen Beziehungen können nicht ohne weiteres übernommen werden, da die Konvention für die Winkelmessung im Beobachtersystem N, O von der im bisher zugrunde gelegten Koordinatensystem $r,l$ abweicht (siehe Abb. 13).


Für die Berechnung der STOKES-Parameter gilt:
$\displaystyle I$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{0^{\circ}} + I_{90^{\circ}} = I_{45^{\circ}} + I_{135^{\circ}} ,$ (10)
$\displaystyle Q$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{0^{\circ}} - I_{90^{\circ}} ,$  
$\displaystyle U$ $\textstyle =$ $\displaystyle I_{45^{\circ}} - I_{135^{\circ}} .$  

Bevor der Grad der linearen Polarisation $P_{\rm L}$ und der Winkel $\gamma $ ihrer Orientierung bezüglich der Nord-Süd-Richtung nach den Gleichungen (6) und (7) bestimmt werden, können die STOKES-Parameter $I$, $Q$, $U$ zur Reduzierung des Rauschens über einige Pixel zusammengefaßt werden (hier macht sich die Eigenschaft der Additivität der STOKES-Parameter positiv bemerkbar), was jedoch einen Verlust an Auflösung mit sich bringt.
Die Null-Richtung der Polarisation am Himmel (N-S-Richtung) kann mit Hilfe eines Standardobjekts bestimmt werden.
Zur Visualisierung der räumlich aufgelösten Ergebnisse von $P_{\rm L}$ und $\gamma $ wird die sogenannte Polarisationskarte erstellt. Diese enthält Bildelemente, die in ihrer Größe die räumliche Auflösung festlegen. Ins Zentrum eines jeden Bildelementes wird ein sogenannter Polarisationsvektor eingetragen, dessen Länge den Betrag ($P_{\rm L}$) und dessen Lage die Richtung ($\gamma $) der linearen Polarisation kennzeichnen. Einige solcher Karten sind in den Kapiteln 16.2.2 und 16.4 abgebildet.
Statistisch verteilte Polarisationsvektoren außerhalb der Emissionsgebiete lassen sich in der Polarisationskarte unterdrücken, indem ihre Darstellung erst oberhalb eines bestimmten Intensitätswertes erfolgt. Eine weitere Verbesserung der Ergebnisse bringt der Vergleich der Pixelwerte $I$, $Q$, $U$ der verschiedenen Aufnahmen mit einer lokalen Näherungsfunktion, in dessen Resultat eine Aussage zur "`Datengültigkeit"' (englisch: data validation) steht. Sind einzelne Pixelwerte außerhalb des lokalen Trends, so werden sie durch einen ihrer Umgebung angepaßten Interpolationswert ersetzt (siehe [20]).
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Juergen Weiprecht 2002-10-29